Türkischer Wahlkampf in Deutschland: Erdoğans langer Arm

Wie sollen Türken in Deutschland beim Verfassungsreferendum stimmen? Es tobt ein innertürkischer Wahlkampf.

Eine Frau steht vor einer großen Türkeiflagge und hält zwei kleinere Flaggen in den Händen

In Oberhausen hat der türkische Ministerpräsident Fahnenträgerinnen Foto: dpa

BERLIN taz | Die türkischen Konsulate in Deutschland haben den Vorwurf zurückgewiesen, sie stifteten Eltern und Schüler an, Lehrer zu denunzieren, wenn diese sich kritisch über die islamistische AKP-Regierung in Ankara äußerten. Kritisiert hatte das der nordrhein-westfälische Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Der Landesvorsitzende Sebastian Krebs gab gegenüber der taz an, er habe detaillierte Berichte von sogenannten Informationsveranstaltungen in türkischen Konsulaten, in denen Druck auf türkeistämmige Lehrer und Eltern ausgeübt worden sei.

„Der Vorwurf der GEW ist eine bewusste Entstellung der Arbeit der türkischen Konsulate“, entgegnete Generalkonsulin Nesrin Tuncay gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Tatsächlich befassten sich solche Treffen lediglich mit Bildungsfragen. Eine Veranstaltung, die laut GEW am 22. Januar in Essen stattgefunden haben soll, bestreitet Generalkonsul Mustafa Kemal Basa gänzlich.

Doch die GEW bleibt bei ihrer Darstellung. „Wir haben kein Interesse daran, irgendetwas bewusst zu entstellen“, sagte Krebs der taz. Eltern und Lehrer, die der GEW vom Aufruf zu Denunziationen berichtet hatten, sollen die Veranstaltungen vorzeitig verlassen haben. „Unsere Mitglieder haben Angst um sich und ihre Familien“, so Krebs. Das NRW-Schulministerium hat inzwischen Justiz und Sicherheitsbehörden informiert und betont, sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre das „absolut inakzeptabel“.

Ein Hintergrund für die aufgehitzte Stimmung ist das am 16. April anstehende Referendum über eine Verfassungsänderung in der Türkei, bei dem auch rund 1,4 Millionen in Deutschland lebende türkische Staatsbürger wahlberechtigt sind. Geplant ist eine Präsidialverfassung, die dem Staatspräsidenten weitreichende Befugnisse einräumt und das Parlament empfindlich schwächt.

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) Gökay Sofuoglu kritisierte eine „anonyme Angstmache“ in Deutschland, um das Referendum zu beeinflussen. Die türkischen Regierung versuche Kritiker einzuschüchtern. Als Beispiel nannte er, dass der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım bei seinem Auftritt in Oberhausen Erdoğan-Gegner als Terroristen und Vaterlandsverräter bezeichnet habe.

Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland hat nun den innertürkischen Wahlkampf in Deutschland eingeläutet. „Wir planen bis zum 9. April in Deutschland bis zu 400 Veranstaltungen, auf denen wir für ein ‚Nein‘ werben“, sagte Sofuoglu. Bei so vielen Wahlberechtigen in Deutschland sei es „wichtig, als Verband Stellung zu beziehen“. Er empfiehlt den türkischen Wählern, die deutsche Verfassung als Grundlage ihrer Entscheidung zu nehmen.

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