US-Militärhilfe für die Ukraine: Unberechenbare Machtspiele

Nach Monaten endlich gibt das US-Repräsentantenhaus grünes Licht für Militärhilfe an die Ukraine. Um Inhalte ging es bei der Abstimmung nicht.

Mike Johnson, Sprecher des US-Repräsentantenhauses nach der Abstimmung für die Ukraine-Hilfe

Mike Johnson nach der Abstimmung des US-Repräsentantenhauses über die Militärhilfe für die Ukraine Foto: Ken Cedeno/reuters

Eigentlich war die US-Außen- und Sicherheitspolitik, gerade in Kriegszeiten, immer eines der Themenfelder, die von den Verwerfungen innenpolitischer Konfrontationen selbst in Wahljahren relativ ausgespart blieben. Das war nicht immer gut: Wäre den unter George W. Bush herrschenden Neocons rechtzeitig jemand in den Arm gefallen, hätte es womöglich keinen Irakkrieg und Hunderttausende Tote weniger gegeben.

Dass aber Entscheidungen wie die über weitere Militärhilfe für die Ukraine aus rein innenpolitischem, ja innerrepublikanischem Gezänk viele Monate im US-Repräsentantenhaus auf Eis liegen, nur um letztlich fast unverändert beschlossen zu werden, ist ein bislang einmaliger Vorgang. Und auch der hat Menschenleben gekostet. Fast vier Monate lang war die Ukraine von der Hilfe ihres wichtigsten militärischen Verbündeten abgeschnitten.

Munitionsmangel hat Positionsverluste an der Front verursacht, der Mangel an Luftabwehr Menschen in den Städten getötet. Warum das alles? Nicht, weil in den USA allgemein die Erkenntnis vorherrschen würde, dass es zum Erreichen eines Friedens in der Ukraine andere Lösungen brauche als Waffenlieferungen. Nicht, weil darüber überhaupt nur ernsthaft diskutiert worden wäre.

Sondern einzig und allein, weil ein radikalisierter Teil der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus den von ihnen – nach vielen Wahlgängen schließlich doch – gewählten Sprecher Mike Johnson so unter Druck setzte, dass der vor Angst erstarrte und die Abstimmung gar nicht erst auf die Tagesordnung setzte. Johnson hat in der vergangenen Woche die Kehrtwende vollzogen, die Hilfspakete für die Ukraine, Israel und Taiwan aufgeteilt und jedes einzelne mithilfe demokratischer Stimmen verabschieden lassen.

Sein Kalkül: Wenn die De­mo­kra­t*in­nen mich vor einem Abwahlantrag der Rebellen meiner eigenen Fraktion schützen, ist mein Posten sicher; dazu muss ich ihnen etwas geben. Seine Rhetorik: Ich habe internationale Verantwortung übernommen, habe das Richtige getan, die Welt schaut auf uns … bla bla bla. Es ist gut für die Ukraine, dass die Hilfe jetzt wieder anlaufen kann.

Man kann nur hoffen, dass die richtigen Materialien jetzt schnell genug eintreffen, um die befürchtete russische Juni-Offensive abwehren zu können. Aber die Lehre für die internationalen Verbündeten der USA bleibt: Solange diese vom Trumpismus derangierten Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen auch nur in der Nähe der Macht in Washington sitzen, werden die USA ein unberechenbarer Partner bleiben, auf dessen Entscheidungen sich niemand verlassen kann.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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