Über die Osteuropa Workshops: Postsowjetische Augenhöhe

Die Osteuropa Workshops bieten JournalistInnen von Kiew bis Aserbaidschan die Möglichkeit zum Austausch.

Erinnerungskultur: Die WorkshopteilnehmerInnen besuchen eine Gedenkstätte oberhalb von Sarajevo Bild: taz

von Barbara Oertel

Es war im Jahr 2014 bei einem Osteuropa Workshop der taz Panter Stiftung. Andrej aus Russland, genauer gesagt aus Nischni Nowgorod, bat um ein Zwiegespräch, fernab der Gruppe. Das Seminar gefalle ihm wirklich sehr, es gebe viel Neues und Spannendes zu erfahren, sagte er. Das Schönste aber sei, dass er einen wahren Freund gefunden habe – Anton aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Fast jeden Abend verbrachten die beiden gemeinsam. Sie konnten sich gar nicht genug aneinander satt hören, sprachen über ihre politischen und journalistischen Erfahrungen. Sie wurden Freunde und sind es bis heute.

Drei Jahre zuvor hatte der erste derartige Workshop der Panter Stiftung stattgefunden, mit sieben jungen JournalistInnen aus Weißrussland. Die ursprüngliche Idee war, den KollegInnen einen Einblick in die Funktionsweise der taz sowie der gesamten Medienlandschaft in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen zu geben. Nicht zuletzt ging es auch darum, Solidarität zu zeigen mit Medienmachern aus einem Land, wo die Pressefreiheit unter dem autokratischen Dauerpräsidenten Alexander Lukaschenko mit Füßen getreten wird und eine regierungskritische Berichterstattung nicht selten ins Gefängnis führt.

Repressionen sind kein Alleinstellungsmerkmal

Repressionen gegen Andersdenkende sind kein Alleinstellungsmerkmal Weißrusslands, sondern leider – damals wie heute – charakteristisch für viele Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion. Hinzu kommen ungelöste Territorialkonflikte wie beispielsweise zwischen Armenien und Aserbaidschan um die Enklave Berg-Karabach sowie der seit dem Jahr 2014 andauernde Krieg in der Ostukraine, der inzwischen weit über 10.000 Menschen das Leben gekostet und manche NachbarInnen vielleicht sogar auf Jahrzehnte zu Feinden gemacht hat.

Dies alles war für die Panter Stiftung Grund genug, ihr Engagement für Osteuropa fortzusetzen. Aus einer „Einland-Veranstaltung“ wurden Workshops mit TeilnehmerInnen aus vier Staaten – außer Weißrussland auch noch die Republik Moldau, die Ukraine und Russland. Schließlich stießen auch noch die drei Kaukasusrepubliken Georgien, Armenien und Aserbaidschan hinzu.

2016 übernahm Deutschland den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Panter Stiftung nutzte diese Gelegenheit, um abermals Neuland zu betreten. Zu den nunmehr sieben Teilnehmerländern gesellten sich in diesem Jahr die zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgistan hinzu.

Das multinationale Format hat sich bewährt

Im vergangenen Jahr wurde das Format abermals renoviert. War der Austragungsort bis dato immer nur Berlin gewesen, fand der erste Teil des Osteuropa Workshops zum Thema Erinnerungskulturen in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo statt. Es ist schwer mit Worten zu beschreiben, was es bedeutet, wenn eine Moldauerin und eine Aserbaidschanerin sich auf dem Gräberfeld in Srebrenica weinend in den Arm nehmen und gemeinsam der über 8.000 Muslime gedenken, die dort 1995 von Serben ermordet wurden.

Das multinationale Format hat sich bewährt, bietet es den TeilnehmerInnen doch die Möglichkeit, sich kennen zu lernen und auf Augenhöhe auszutauschen – eine Voraussetzung, um dem Anderen mit Respekt und Toleranz zu begegnen.

TeilnehmerInnen des Osteuropa Workshops in Sarajevo Bild: taz

Die Arbeitssprache in den taz Panter Workshops ist Russisch, das noch immer, wenngleich mit abnehmender Tendenz, die lingua franca in den Ländern des postsowjetischen Raums ist. Dies ermöglicht auch solchen NachwuchsjournalistInnen eine Seminarteilnahme, deren Kenntnisse im Deutschen oder Englischen für andere ähnliche Bildungsangebote nicht ausreichend sind.

Aufbau neuer Medien

„Lasst uns zusammenrücken!“ lautete ein weiteres Motto der Workshops im letzten Jahr und zwar im wörtlichen Sinne. So waren die Feindseligkeiten zwischen einer Armenierin und Aserbaidschanerin – die beiden Länder befinden sich im Kriegszustand – während des einwöchigen Programms in Berlin nicht zu übersehen. Kein Tisch war groß genug, um maximalen Abstand zueinander zu halten. Am letzten Abend aber saßen beide ganz eng beieinander und unterhielten sich lange und angeregt.

Der Einsatz der Panter Stiftung hat Früchte getragen. Mittlerweile haben über 300 junge JournalistInnen aus Osteuropa an den Panter Workshops teilgenommen. Sie sind miteinander vernetzt, einige von ihnen haben in ihren Herkunftsländern am Aufbau neuer Medien mitgewirkt bzw. sind zu freien AutorInnen der taz geworden. Wer von ihnen auf Kurzbesuch in Berlin ist, besucht wieder die taz. Das sei ein bisschen wie nach Hause kommen, sagen sie.

Dieser Beitrag stammt aus der Publikation 10 Jahre taz Panter Stiftung.