Überteuerte Fußball-Tickets: "Professioneller Schwarzmarkt"

Der Hamburger SV verkauft 1.500 Eintrittskarten über den Tickethändler "Viagogo". Der ist bekannt für überhöhte Preise. Fanvereinigungen protestieren.

Kann teuer werden, wenn man ein Viagogo-Ticket kaufen muss: ein Besuch beim HSV in der Arena in Hamburg-Stellingen. Bild: dpa

Joachim Hilke, 43, ist im Vorstand des Hamburger SV für den Bereich Marketing zuständig. Da hat er im Moment viel Spaß, weil sich die Anleihe des HSV als großer Erfolg erweist. 12,5 Millionen bekam der Verein für den Bau des „HSV-Campus“ auf dem Gelände des Volksparkstadions in so kurzer Zeit geliehen, dass überlegt wird, eine weitere Anleihe für ein weiteres Projekt auf den Markt zu werfen.

Daneben hat Hilke ein bisschen Ärger. Er hat einen Vertrag mit dem Tickethändler Viagogo abgeschlossen. Viagogo wurde 2006 im Londoner Stadtteil Hammersmith gegründet, heute steckt Kapital aus der Schweiz, England und Deutschland in der Firma. Viagogo vertreibt online Eintrittskarten für Sportveranstaltungen, vor allem Fußballspiele, Konzerte und Theateraufführungen. In der Bundesliga arbeitet Viagogo mit dem FC Augsburg, Bayern München, Hannover 96, dem 1. FC Kaiserslautern, dem 1.FC Nürnberg, dem VfL Wolfsburg und nun auch mit dem HSV zusammen.

Der HSV bekommt, so ist zu hören, 760.000 Euro für den Deal mit Viagogo, die dafür 1.500 Tickets pro Heimspiel vom HSV erhalten. Diese 1.500 Tickets werden über das Viagogo-Portal online verkauft. 1.500 Karten ist nicht viel, könnte man meinen, doch angesichts der 33.000 Dauerkarten, der 5.700 Karten für Gästefans, der Karten für die Mitglieder, ist es viel von dem, was an Karten für Heimspiele in den freien Verkauf geht. „Gegen Bayern“, sagt Philipp Markhardt, Sprecher der bundesweiten Fanvereinigung „ProFans“ und Mitglied der HSV-Fangruppe „Chosen Few“, „sind die Tickets, die in den freien Verkauf gehen, nach fünf Minuten weg.“

Viagogo vertreibt nicht nur die offiziellen Tickets des HSV, sondern auch solche von Leuten, die ihre Karte privat verkaufen möchten. Die können ihre Karte auf der Plattform einstellen, „und sie mit einem Aufschlag von 100 Prozent veräußern“, sagt Markhardt. So kostet eine Stehplatzkarte, die man für 15 Euro kaufen kann, bei Viagogo 30. Oben drauf kommt noch eine Gebühr in Höhe zwischen 15 und 20 Prozent. Markhardt nennt das „die Kanalisierung des professionellen Schwarzmarkts“. Künftig, vermutet Markhardt, muss sich kein Schwarzhändler an der Treppe der S-Bahn Stellingen die Füße in den Bauch stehen, und seine Tickets hoch halten, das macht Viagogo für ihn.

Für die Fans ist der Deal mit Viagogo eine „heimliche Preiserhöhung“, kritisiert Markhardt, „das hat Hilke auch zugegeben“. Die Tickets, die der HSV über Viagogo verkauft, kosten doppelt so viel wie normal. Von diesem erhöhten Preis, so Markhardt, „bleiben 85 Prozent beim HSV“. Viagogo kassiert Gebühren sowohl vom HSV, etwa 15 Prozent, als auch 15 Prozent vom Käufer, die noch mal auf den schon doppelt so hohen Preis drauf kommen. „Viagogo verdient sich an den Tickets dumm und dusslig“, sagt Markhardt.

Markhardt erinnert daran, dass der HSV mal ein Vorreiter im Kampf gegen Firmen wie Viagogo war, und vor Jahren einen Prozess gegen den Viagogo-Konkurrenten „Seatwave“ in Sachen Verkauf von Karten Dritter angestrengt hatte. Im Herbst 2008 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) für den HSV entschieden und in einem Musterprozess professionellen Händlern den gezielten Aufkauf von Tickets und Weiterverkauf zu überhöhten Preisen verboten. In einem späteren Urteil wurde der Verkauf von Tickets über online-Plattformen verboten, die die Eintrittskarten nicht selbst anbieten, sondern eine Vermittlerrolle übernehmen. Der Prozess gegen Seatwave, der für die gesamte Bundesliga von Bedeutung ist, läuft noch. Vom HSV ist zu hören, dass, egal wie das Urteil ausfällt, angesichts des Viagogo-Deals nicht weiter gegen Seatwave prozessiert werden soll.

„Dreist“, findet Markhardt die Behauptung von Mitgliedern des HSV-Vorstands, „Viagogo sei eine seriöse Geschichte.“ Er verweist auf ein „Take That“-Konzert im Sommer 2011 in München. Viagogo verkaufte Karten, die regulär 150 Euro kosteten, für 230 Euro plus 47,35 Euro Vermittlungsgebühr, doch die Tickets waren personalisiert. Wer über Viagogo gekauft hatte, kam in München nicht ins Konzert, genau wie in Hamburg und Düsseldorf. „Viagogo interessierte das nicht“, sagt Markhardt.

Beim 1. FC Kaiserslautern gibt es Proteste gegen Viagogo, nun auch in Hamburg. Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung vor einigen Tagen wurde Hilke für das Geschäft mit Viagogo scharf kritisiert. HSV-Fan Ingo Thiel packte den schärfsten aller möglichen Vorwürfe aus, in dem er Hilke mit dem in Fankreisen unbeliebten früheren HSV-Vorstand Bernd Hoffmann verglich: „So ein Deal wäre nicht mal Bernd Hoffmann eingefallen.“ Markhardt sieht vor allem das Problem, „dass die Preise beim HSV schon astronomisch hoch sind, und durch Viagogo noch höher werden“. Er nennt Hilkes Handel mit Viagogo eine „Frechheit“ und ordnet dieses Vorhaben in den Prozess der Verdrängung von Fußballfans aus den Stadien ein, die durch „Konsumenten“ ersetzt werden sollen.

Bei der Mitgliederversammlung versprach Hilke, sich dafür zu verwenden, nicht mehr als die vertraglich vereinbarten 1.500 Tickets über Viagogo verkaufen zu lassen. Hilke zieht auch eine vorzeitige Kündigung des Vertrags zum 31. Juli 2013 in Erwägung. Ob die Manager von Viagogo da mitmachen, ist zu bezweifeln. Wer seine Kunden auspresst, ist auch was die Geschäftspartner anbelangt nicht zimperlich.

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