Umweltzonen: Frei Atmen in der Innenstadt

Als dritte norddeutsche Stadt führt Osnabrück die Umweltzone ein. In Hannover dürfen nur noch Autos mit grüner Plakette in die Innenstadt und in Hamburg drohen die Pläne im Wahlkampf zu versickern.

Besser leben in Innenstädten: Als dritte norddeutsche Stadt führt Osnabrück die Umweltzone ein. Bild: dpa

Osnabrück macht es vor. Ab Montag, den 4. Januar 2010, wird in der niedersächsischen Stadt die Umweltzone eingeführt. Dann dürfen nur noch Fahrzeuge mit roten, gelben oder grünen Plaketten (siehe Kasten) in die Innenstadt fahren. Der Verkehr verursacht ein Viertel der Emissionen an Feinstaub in der Heimatstadt von CDU-Ministerpräsident Christian Wulff und sogar 80 Prozent des Stickstoffdioxid-Ausstoßes. Das haben langjährige Messungen ergeben. Die Messstation Schlosswall in der City war 2008 mit 14 Überschreitungen der EU-Grenzwerte der schmutzigste Ort Niedersachsens. "Daher müssen wir jetzt die Fahrzeuge mit den höchsten Schadstoffausstößen aus der Innenstadt heraushalten", sagt Umweltdezernent Detlef Gerdts.

Vor zwei Jahren hatte Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover als erste norddeutsche Stadt die Umweltzone eingeführt, vor einem Jahr folgte Bremen. In Göttingen wird an einem Aktionsplan gearbeitet, die Umweltzone gilt als "eine Option unter vielen", verlautet aus dem Rathaus. In Braunschweig verhinderte 2007 massiver Widerstand von Wirtschaft und Verbänden die Einführung einer Umweltzone, der schwarz-grüne Senat in Hamburg grübelt seit eineinhalb Jahren darüber nach.

Für 2010 hatte er die Umweltzone angekündigt. Daraus aber wird nichts. Im ersten Quartal nächsten Jahres soll zunächst die Prüfung des Vorhabens abgeschlossen werden, räumte Umweltsenatorin Anja Hajduk (Grüne) kurz vor Weihnachten ein. Ihre Einschätzung, dass "dabei die Verhältnismäßigkeit und Wirksamkeit beachtet werden muss", klingt bereits wie der Auftakt zum geordneten Rückzug.

Umweltzonen gibt es in 34 deutschen Innenstädten, die meisten in Baden-Württemberg und in Nordrhein-Westfalen. Neun weitere Städte planen die Einführung im Jahr 2010.

In Norddeutschland gibt es nur zwei: Hannover seit 1. 1. 2008, Bremen seit 1. 1. 2009. Osnabrück folgt als dritte Stadt am 4. 1. 2010.

Autos mit hohen Feinstaubemissionen dürfen in Umweltzonen nicht fahren. Erlaubt sind nur noch Fahrzeuge mit roter, gelber oder grüner Plakette. Diese kennzeichnen die drei Schadstoffklassen mit unterschiedlich hohen Emissionen.

Verschärft werden die Regeln schrittweise, oft im Jahresabstand, bis nur noch Wagen mit grüner Plakette die Zone befahren dürfen.

Ausnahmegenehmigungen für kleine Handwerks- und Gewerbebetriebe sind häufig, etliche Dieselfahrzeuge erhalten nach der Nachrüstung mit einem Partikelfilter eine bessere Einstufung.

Ohne Plakette in der Umweltzone zu fahren, wird mit einem Bußgeld von 40 Euro und einem Punkt beim Kraftfahrtbundesamt in Flensburg geahndet.

Nicht zufällig hatte CDU-Wirtschaftssenator Axel Gedaschko bereits im Sommer Zweifel am Sinn einer Umweltzone geäußert: "Ich bin skeptisch, dass das Ziel, die Luftbelastung zu reduzieren, mit einer Umweltzone erreicht werden kann." Damit folgte er brav der Linie der Handelskammer. Die hatte zwei Tage zuvor den Verzicht gefordert. Mit einer Umweltzone sei "weder der Umwelt noch der Wirtschaft gedient", hatte Kammerpräses Frank Horch klargestellt, und Gedaschko assistierte pflichtschuldigst.

Auch die Idee einer City-Maut wird in Hamburg seit 2008 einem langwierigen Gutachterverfahren unterzogen. In einigen Monaten werde "der Entwurf des Schlussberichts vorliegen", teilte Hajduk mit, danach werde der Senat "über das weitere Vorgehen gesondert beraten".

Damit drohen beide Instrumente im beginnenden Wahlkampf für die Bürgerschaftswahl im Februar 2012 unter die Räder zu geraten. Dass die CDU ihrem grünen Koalitionspartner kurz vor dem Urnengang derartige ökologische Erfolge zubilligt, sich selbst jedoch mächtig Ärger mit Handelskammer, ADAC, Springer-Presse und der eigenen individualmotorisierten Wählerschaft einhandelt, darf als unwahrscheinlich gelten.

Worauf wartet Hamburg?

Da wird es auch nicht viel helfen, dass der Stadtstaat an Elbe und Alster im Jahr 2011 den Titel "Europäische Umwelthauptstadt" tragen darf. Den müsse Hamburg sich erst noch verdienen, finden die Umweltverbände Nabu und BUND, unter anderem eben mit der Umweltzone. Eindeutige Ergebnisse über deren Sinn lägen vor, sagt BUND-Chef Manfred. In Berlin habe sich 2008, im ersten Jahr der Umweltzone, der Ausstoß von Dieselruß um 24 Prozent und der von Stickoxiden um 14 Prozent gesenkt. "Mir ist nicht klar", sagt Braasch, "worauf Hamburg noch wartet."

Doch Hamburg wartet zum Beispiel auf die Revisionsentscheidung des Lüneburger Oberverwaltungsgerichts (OVG) über ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover. Das hatte im April mehrere Klagen gegen Umweltzone abgewiesen. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit der dortigen Umweltzone sei vor allem ihr Einfluss auf die Belastung der Luft mit gesundheitsschädlichem Stickstoffdioxid, das vor allem vom Autoverkehr stammt. Deshalb habe die Stadt zu Recht diese Maßnahme ergriffen, zu der es "keine Alternative" gäbe. Wann das OVG in zweiter Instanz entscheidet, ist noch offen.

In Bremen und Hannover werden derweil zum Jahreswechsel die Regelungen erstmals verschärft. In der niedersächsischen Hauptstadt dürfen ab 2010 nur noch Wagen mit grüner Plakette ins Zentrum fahren. In der Wesermetropole sind dann Wagen mit roter und ab Juli 2011 auch mit gelber Plakette in der City tabu. Die Erwartungen im ersten Jahr seien nicht besonders hoch gewesen, räumt der Sprecher der Umweltbehörde, Michael Ortmanns, ein: "Die erste Stufe hat noch nicht so viele Autos betroffen, die Wirkung ist damit auch nicht so groß." Beim Feinstaub gebe es jedoch einen minimalen Rückgang. Die Stadt Hannover selbst geht mit gutem Beispiel voran: Fast die gesamte Fahrzeugflotte, insgesamt rund 750 Autos, ist mit einer grünen Plakette ausgerüstet.

Wirtschaft hat Vorbehalte

Wie in Hamburg oder Braunschweig kommen die Vorbehalte vor allem von der Wirtschaft. Handwerksbetriebe seien zu teuren Investitionen in ihren Fuhrpark gezwungen und der Nutzen für die Umwelt sei bisher nicht nachweisbar, ist die grundsätzliche Position der Handelskammern. Die Bremer fordert sogar, die Umweltzone wieder aufzuheben. "Sie hat viel gekostet ohne Ergebnis für die Umwelt", befindet Hauptgeschäftsführer Matthias Fonger. Auch bestehe die Gefahr, dass sich Besucher von außerhalb gegen einen Einkauf in der Hansestadt entscheiden.

Genau darauf zielten im Mai Kaufleute aus Hildesheim mit einer Plakatkampagne. Sie wollten im nahen Hannover für das Shopping in ihrer Stadt werben: "Schnell ankommen, gut parken, ohne Umweltzone", hieß es auf den Plakaten. Nach massivem Protest auch der Hannoveraner Kaufmannschaft wurde die "törichte Aktion", wie die grüne Hildesheimer Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer sie nannte, sang- und klanglos eingestellt.

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