Ungeprüfte Millionenzahlungen: Das Gremium tagt

Gleich zwei Skandale beschäftigen am Freitag den Aufsichtsrat von Deutschlands fünftgrößtem Energiekonzern EWE. Worum geht es noch gleich?

Im Zwielicht: EWE-Chef Werner Brinker. Bild: dpa

BREMEN taz | Seit die taz am 20. September erstmals über dubiose Verbindungen des Oldenburger Energiekonzerns EWE AG zur Agentur Prevent berichtete, kommt EWE nicht mehr aus den Schlagzeilen - zwei Skandale beschäftigen das Unternehmen aktuell. Am Freitag tagt der Aufsichtsrat, pünktlich dazu fassen wir zusammen, was da los ist bei Deutschlands fünftgrößtem Energiekonzern.

Was ist so dubios an der Zusammenarbeit von EWE und der Agentur Prevent?

Seit 2000 hat EWE jährlich mehrere Millionen Euro an Prevent gezahlt, damit die Agentur exklusiv für EWE das Schulpräventionsprogramm "Sign" durchführt. Dabei hat EWE offenbar nicht ausreichend kontrolliert, ob das Geld sachgerecht verwendet wurde.

Wurde es denn nicht?

Offenbar nicht: Prevent-Chefin Claudia del Valle hat Millionenbeträge an dem Projekt vorbeigeschleust. Offenbar völlig legal über eine Konstruktion aus ihrer GmbH und einer KG.

Wieso legal?

Laut Vertrag zwischen EWE und Prevent bekam die Agentur das Geld pauschal für zum Schluss knapp 1.200 Schulklassen überwiesen, musste aber nur dafür sorgen, dass möglichst viele davon am "Sign"-Projekt teilnehmen. Nahmen weniger Klassen teil, bekam sie das Geld trotzdem: 2010 zum Beispiel allein gut 3,3 Millionen Euro.

Warum hat EWE das gemacht?

Darüber schweigt der Konzern, der die Zusammenarbeit mit Prevent inzwischen gekündigt hat, ohne allerdings juristische Schritte einzuleiten.

Wurde nie ermittelt?

Doch, 2010 gegen die Prevent-Chefin wegen des Verdachts auf Geldwäsche. Die Ermittlungen wurden eingestellt. In den Ermittlungsunterlagen heißt es aber, man vermute, "dass die Gewinnsituation der Firmen prevent GmbH/prevent KG seitens der EWE bekannt und gewollt ist".

Bitte?

Dazu sagt die Staatsanwaltschaft nichts - die allerdings durch eine Strafanzeige gegen EWE-Chef Werner Brinker und die Prevent-Chefin inzwischen zu neuen Ermittlungen animiert wurde.

Welche Rolle spielt EWE-Chef Brinker?

Offenbar eine gewichtige: Dass Brinker den "Sign"-Vertrag bis 2017 eigenmächtig verlängert hat, obwohl bei EWE das Vier-Augen-Prinzip gilt, hat der Konzern nicht widerlegt. Prevent-Chefin del Valle behauptet, auch "Sign"-Rechnungen und die monatlichen Reportings habe Brinker persönlich vorgelegt bekommen. Das Geld sei elf Jahre lang anstandslos überwiesen worden.

Was sagen die Eigentümer?

Der Konzern gehört zu 74 Prozent 21 Städten und Landkreisen. Deren Versammlung wird vom Fraktionsvorsitzenden der CDU im niedersächsischen Landtag, Björn Thümler, angeführt. Er sieht keinen finanziellen Schaden bei EWE. Der einzige, der kritische Fragen im Kreis der kommunalen Eigner stellte, ist Dieter Baumann aus Leer. Von Miteigentümern wurde er dafür beschimpft. 26 Prozent der EWE AG gehören der EnBW AG, die bislang nur sagt, sie verfolge den Fall sehr genau.

War nicht von mehreren Skandalen die Rede?

Ja, neben dem "Sign"-Skandal geht es um Eberswalde. 2002 hat Brinker mit einem Vorstandskollegen dem Bürgermeister von Eberswalde 307.000 Euro zugesagt, wenn EWE Anteile an den Stadtwerken bekommt. 2007 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Brinker, das Verfahren wurde eingestellt, Strafe zahlen musste nur der Kollege, EWE selbst zahlte 400.000 Euro wegen Vorteilsgewährung.

Was wusste der Aufsichtsrat?

Davon nichts - Brinker informierte nur das Aufsichtsratspräsidium. Es wäre aber die Pflicht des Aufsichtsratsvorsitzenden Günther Boekhoff gewesen, das gesamte Gremium zu informieren und zu entscheiden, ob Brinker für den Schaden haften muss.

Und jetzt?

"Sign" und Eberswalde sind Thema in der Aufsichtsratssitzung. Brinker kann immer noch in Haftung genommen werden, das Gremium verlangt Aufklärung in beiden Skandalen.

Und wer liefert die?

Ähm, der Vorstand selbst.

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