Untersuchung zu Jobs in der Gastronomie: Schlechte Jobs im Angebot

In keiner Branche gibt es so viel geringfügige Beschäftigung wie in der Gastronomie, zeigt eine Analyse. Eine Verbesserung ist nicht in Sicht.

Verschwommenes Bild von Mensch mit Tablett

Immer schnell, schnell – und das für wenig Geld Foto: IMAGO / Aubrey Washington

BERLIN taz | Bezahlung weit unter dem Durchschnitt, lange Arbeitszeiten, viel Stress, aber immer schön freundlich bleiben: Na, Lust auf einen Job in der Gastro? Der Personalmangel in der Branche ist hoch, ebenso die Arbeitsbelastung der Angestellten. Laut der gemeinsamen Branchenanalyse der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Hans-Böckler-Stiftung, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, arbeiten derzeit etwa die Hälfte aller Beschäftigten im Minijob. Das heißt in einem Arbeitsverhältnis, das weder den Lebensunterhalt gewährleistet noch soziale Absicherung mit sich bringt.

Der Anteil geringfügig entlohnter Beschäftigung ist laut der Studie in der Gastronomie so hoch wie in keiner anderen Branche. In Berlin haben knapp 33.000 einen Minijob, 74.000 Gastrobeschäftigte sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Allerdings sind in der Gastro selbst die Tariflöhne in sozialversicherten Arbeitsverhältnissen niedrig, der Abstand zum gesetzlichen Mindestlohn ist gering. In Berlin liegen sie bei durchschnittlich 2.400 Euro brutto im Monat, mit 50 Cent Abstand zum Mindestlohn.

Die Beschäftigten nennen die geringe Bezahlung, die langen Arbeitszeiten und die hohe psychische Belastung als die größten Nachteile in ihrem Arbeitsalltag. Wenig überraschend: Mehr als ein Drittel der Ar­bei­te­r*in­nen sieht seine Zukunft nicht in der Gastronomie. Um das zu ändern und vielleicht sogar neues Personal für die vielen unbesetzten Stellen zu finden, bietet die Branche – nichts.

Das Aus in der Pandemie

Die vorübergehenden Schließungen vieler Betriebe aufgrund der Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 haben die Unverbindlichkeit vieler Ar­beit­ge­be­r*in­nen gegenüber ihren Angestellten mehr als deutlich gemacht. Befristete Arbeitsverhältnisse liefen in diesem Zeitraum ersatzlos aus, Leih­ar­bei­te­r*in­nen wurden nicht mehr beschäftigt, Mi­ni­job­be­r*in­nen verloren ihre Arbeitsplätze nahezu umgehend.

Insgesamt verloren bundesweit rund 330.000 Beschäftigte in dieser Zeit ihre Stelle im Gastgewerbe oder gaben sie auf. Obwohl staatliche Unterstützung in Form von Kurzarbeitsgeld in der Gastronomie Arbeitsplätze erhalten konnte, geriet laut Umfrage der NGG ein Großteil der Ar­bei­te­r*in­nen in finanzielle Schwierigkeiten. Das Kurzarbeitsgeld beträgt 60, erhöhtes Kurzarbeitsgeld bis zu 87 Prozent des Lohns. Mehr als ein Viertel der sozialversicherungspflichtig Angestellten wechselte damals angesichts der Situation ganz die Branche. Das ist mehr als in jedem anderen Arbeitsbereich.

Auch heute suchen Restaurants, Cafés, Hotels, Eisdielen, Cateringfirmen, Kneipen, Bars und Clubs nach Personal. Im August dieses Jahres wurden nach Angaben des Jobcenters bundesweit offiziell 25.000 Ar­bei­te­r*in­nen in der Branche gesucht. Die tatsächliche Zahl dürfte höher liegen, da viele Stellen erst gar nicht ausgeschrieben werden. Personal wird in der Branche traditionell auch über informelle Wege gefunden, wie persönliche Kontakte oder Aushänge in den Läden.

Ob Menschen überhaupt im Bereich arbeiten, dürfte auch an deren Alternativen liegen. Lena Werner, Mitglied des Bundestages für die SPD und gelernte Hotelfachfrau, erzählt: „Ich konnte mir nach meiner Ausbildung und einem dualen Studium in Tourismuswirtschaft aufgrund des Fachkräftemangels meinen Arbeitsplatz mit guten Bedingungen aussuchen.“ Dennoch hat sie die Branche letztlich verlassen.

Last Exit Lieferdienste

Für Menschen ohne formale Qualifikation und ohne deutschen Pass bleibt die Gastronomie dagegen trotz der schlechten Bedingungen eine von ganz wenigen Möglichkeiten zur Erwerbstätigkeit. Es sei davon auszugehen, dass dieser Teil der Beschäftigten in Berlin vor allem in den Plattform-Lieferdiensten für Speisen und Supermarktwaren unterkam, erklärt einer der Autoren der Studie, Stefan Stracke.

Die NGG forderte am Dienstag die Betriebe dazu auf, mit höheren Löhnen die Arbeitsplätze attraktiver zu machen. „Es braucht einen Neustart“, sagte Guido Zeitler, Vorsitzender der NGG, bei der Vorstellung der Studie. Auch könne die Politik Druck auf die Branche ausüben, indem Aufträge von Regierungen bis hin zu kleinen Trägern nur an tarifgebundene Betriebe vergeben werden sollten. Zudem müsse der Mindestlohn an die Inflation angepasst werden, so Zeitler.

Mit guten Arbeitsbedingungen und sozialer Absicherung Personal zu gewinnen und halten zu können, liegt als Lösung recht nahe. Warum die Arbeitgeberseite diesen Weg bislang nicht geht, bleibt ihr Geheimnis.

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