Urteil zum Euro-Rettungsschirm: Gestutztes Geheimgremium

Das Verfassungsgericht hat entschieden, dass Beschlüsse über Euro-Hilfen nicht von einem Sondergremium gefällt werden dürfen. Der Bundestag müsse weiterhin beteiligt werden.

Wenn's um Geld geht, muss das Parlament mitentscheiden. Bild: dpa

KARLSRUHE taz | Das umstrittene Neunergremium zur Kontrolle des EU-Rettungsschirms kann bestehen bleiben. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht seine Aufgaben jetzt stark zusammengestrichen.

Schon im letzten September hatte Karlsruhe entschieden, dass der Bundestag alle großen Entscheidungen zur Eurostabilisierung mitbeschließen muss, immerhin trage das Parlament die Verantwortung für den Staatshaushalt.

Ende September beschloss der Bundestag dann im Gesetz über den Stabilitätsmechanismus (StabMechG) ein kleines, geheim tagendes Gremium aus neun Haushaltspolitikern einzurichten. Es soll stellvertretend für das Parlament vertrauliche und eilbedürftige Finanzentscheidungen zum Eurorettungsschirm treffen. Die Fraktionen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen stimmten dafür - nur die Linke lehnte ab. Das Neunergremium sollte eine Einbindung des Bundestags im Vorfeld ermöglichen, während das Bundesverfassungsgericht in eilbedürftigen Fällen auch eine Unterrichtung im Nachhinein erlaubt hatte.

Die beiden SPD-Abgeordneten Peter Danckert und Swen Schulz erhoben dagegen jedoch eine Organklage. Ihre Rechte als Abgeordnete seien verletzt, wenn sie an der Beschlussfassung und Information nicht teilhaben können. Die Klage hatte nun teilweise Erfolg.

Der Zweite Senat des Verfassungsgerichts unter Präsident Andreas Voßkuhle betonte, dass der Bundestag in der Regel mit allen Abgeordneten entscheiden muss. Nur in wenigen Ausnahmefällen, wenn dies "zwingend erforderlich" ist, darf er Entscheidungen an kleinere Gremien delegieren.

Die Richter erkannten an, dass es der Schutz der Vertraulichkeit in bestimmten Fällen rechtfertigen kann, nur ein kleines parlamentarisches Gremium einzuweihen. So dürfe der Ankauf von Staatsanleihen durch den Rettungsfonds auf keinen Fall vorher bekannt werden, weil sich Spekulanten sonst darauf einstellen können.

Richter sehen die Eile nicht

Bei den anderen Aufgaben des Neunergremiums - vorsorgliche Kredite an andere EU-Staaten und Kredite zur Stabilisierung des Bankensystems - sahen die Richter jedoch keinen Grund für so viel Geheimhaltung. Die Richter konnten auch nicht erkennen, warum der Bundestag solchen Maßnahmen besonders eilig zustimmen müsse. Im Übrigen sei der 40-köpfige Haushaltsausschuss genauso schnell eingeladen wie das Neunergremium.

Sollte es künftig im Zusammenhang mit dem Rettungsschirm also besonders eilbedürftige Maßnahmen geben, so darf der Bundestag sie nur auf den Haushaltsausschuss delegieren, aber nicht an das kleinere Neunergremium.

Soweit der Bundestag Aufgaben an Ausschüsse oder noch kleinere Gremien delegiert, müssen diese "spiegelbildlich" zusammengesetzt sein. Das heißt, die Kräfteverhältnisse im Plenum müssen auch in kleineren Gremien erhalten bleiben, bestimmten die Richter. Dies war im StabMech-Gesetz zwar nicht ausdrücklich geregelt, könne aber "in verfassungskonformer Auslegung" in das Gesetz hineingelesen werden.

Gemessen an diesem Maßstab sei das Neunergremium allerdings falsch zusammengesetzt. Die CDU hatte einen ihrer vier Sitze der FDP überlassen, um dortige Eurokritiker zu besänftigen. Das hätte sie aber nicht tun dürfen, so die Verfassungsrichter, weil damit die FDP im Neunergremium mehr Gewicht bekam als von den Wählern gewünscht.

Das Neunergremium war bisher nie zusammengetreten, weil das Bundesverfassungsgericht dies im Oktober per einstweiliger Verfügung untersagte. Gleich an dem Tag, als die Klage von Danckert und Schulz einging, traten die Richter zusammen - so als ob der Untergang der Demokratie bevorstünde. Tatsächlich bestand bisher gar kein Bedarf, das Neunergremium einzuberufen. Der Bundestag muss sich also wohl auch nicht beeilen, das Gremium neu auszurichten.

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