Verdienst von ProfessorInnen: Was heißt schon gut bezahlt?

Erst in Vorleistung gehen, dann gegen den Nachbarn abkacken – da streikt die Professorin. Wer was tatsächlich braucht, ist schon lang nicht mehr die Frage.

Besitz erhält seinen Wert erst im Vergleich. Bild: jala / photocase.com

Wer ist zu schlecht bezahlt? Der, der sich so fühlt? Was braucht die Professorin? Braucht sie mehr? Wie sieht es mit einer Künstlerin aus? Die Künstlersozialkasse nimmt fast nur Sozialfälle als Mitglieder auf – und sie hat viele Mitglieder. Sind diese angemessen entlohnt? Sind sie nicht.

Der Hartz-IV-Empfänger bekommt schon gleich gar nichts Angemessenes. Oder doch? Das Arbeitsministerium ist überzeugt davon, und die FDP sah sogar spätrömische Dekadenz allerorten. Weh! Und dann ist da der Bundespräsident, der sich sein Amt versüßen will mit Gefälligkeiten. Agiert er unangemessen?

Alle zeigen gerade mit dem Finger auf alle, es ist wunderbar und lenkt vom Thema ab. Was nämlich hat eine Professorin verdient? Sie musste für ihr Studium und ihre Doktorarbeit einige Kredite aufnehmen, sich mit den Eltern gut stellen oder nachts in der Kneipe schuften. Sie musste sich als Doktorandin in einem unterfinanzierten Projekt verdingen, musste ihre Doktorarbeit publizieren (und dafür zahlen), nach der Habilitation musste sie sich erst mal als kaum bezahlte Privatdozentin abkaspern und jedem Referat zusagen, das sich anbot, weil es sonst für die Miete nicht gereicht hätte.

Da sie eine Frau ist, wurde sie zudem noch länger hingehalten, bevor sie einen Ruf erhielt. Nun sitzt sie endlich an der Universität, ist verbeamtet und bekommt kaum mehr als ein Studienrat, der nicht so sehr in Vorleistung gehen musste.

Und sie ist ihrem Amt auch mit ihrem Aussehen verpflichtet. Eine Frau wird weitaus seltener als das verrückte Genie mit Essensresten im Haar anerkannt. Also muss sie die Boutiquen frequentieren. Die Arbeitskleidung kann sie in der Regel nicht von der Steuer absetzen.

Kraft kann man nicht einklagen, Geld schon

Dazu die Bücher – da die Bibliotheken sparen, muss sie vieles für sich anschaffen, dafür gibt es eine Aufwandsentschädigung, doch reicht diese, wenn sie ihren Job ernst nimmt, nicht hin. Das alles kostet Kraft und Geld, das Geld zumindest kann man einklagen. Es bleibt dennoch die Frage: Ist ein Professorinnenlohn nicht dennoch zu hoch? Oder zumindest hoch genug? Was heißt das denn, angemessen?

Wenn der ehemalige Arcandor-Vorstandsvorsitzende Middelhoff glaubt, dass er ein Anrecht auf Villen und Bedienstete habe, obschon er und seine Gattin ihre Kredite nicht mehr abzahlen können oder wollen, so macht ihn dies lächerlich.

Seine Klage ist symptomatisch für Karrieristen, die nur so lange von Leistung und Verpflichtung reden, solange niemand diese von ihnen selbst einfordert. Die vielen Quelle-Mitarbeiterinnen und Hertie-Verkäufer, die auch dank Middelhoff arbeitslos sind, werden kaum verstehen, was er da meint. Aber der Multimillionär setzt sich nur in Relation zu seinesgleichen - und fühlt sich nun ungerecht behandelt.

Angemessen ist, was nach Rang und Abstammung eine Gesellschaft als angemessen definiert. Es gibt keine Richtwerte dafür, wie viel ein Vorstandsmitglied, wie viel eine Arbeiterin zu verdienen hat. Die Kategorie der Angemessenheit in puncto Entlohnung ist, wenn es nicht um die Bemessung von wirklicher materieller Armut geht, nur aus der Klassengesellschaft heraus zu begreifen.

Hier, im Kapitalismus ist es eben so: Als Professor ist man ein armes Würstchen, wenn man nicht in denselben Restaurants verkehren und die gleichen großen Autos fahren kann, die die Nachbarin fährt, die im Aufsichtsrat einer Fabrik sitzt. Er ist dann nämlich wirklich nichts. Der Mensch besteht heutzutage ja eh nur noch aus seinem Besitz, nichts anderes macht ihn aus. Und Besitz erhält seinen Wert erst im Vergleich. Dazu muss man sich dann verhalten. Angemessen.

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