Verkehrsversuch im Bergmannkiez: Wenn die Rüttelstreifen wirken

Die Bergmannstraße ist eine Spielwiese der Verkehrswende. Rücksichtslosigkeiten, die dabei entstehen, nimmt nun ein Versuchsaufbau ins Visier.

Zweirichtungsradweg auf der Bergmannstraße mit schnellen Radfahrenden

Die vorgeschriebenen 10 Stundenkilometer langsam fährt hier – definitiv – niemand Foto: dpa

„Oops, sorry!“ Na, immerhin: Bei Weitem nicht jede FußgängerIn, die den Radweg auf der Kreuzberger Bergmannstraße überqueren will, bekommt eine Entschuldigung von denen zu hören, die ihr oder ihm auf dem Fahrrad rasant die Vorfahrt nehmen. Es geht, wohlgemerkt, um völlig legale Querungsversuche, auf einem von zwei Mini-Zebrastreifen über den „Zweirichtungsradweg“, der seit einem guten Jahr auf einem Teilstück der Ausgehmeile verläuft.

Der stete Strom an RadlerInnen, die hier tagaus, tagein von Ost nach West und zurück rollen, ist beachtlich. Kein Wunder, schließlich ist das Fahren hier besonders angenehm: Das laufende Konzept zur Verkehrsberuhigung hat den Großteil des Autoverkehrs verdrängt, gleichzeitig ist hier kein Kopfsteinpflaster verlegt wie im restlichen Kiez. Der östliche, leerere Teil der Bergmannstraße zwischen Marheinekeplatz und Südstern ist dann sowieso als Fahrradstraße ausgewiesen.

Da aber, wo sich nun der nichtmotorisierte Verkehr ballt, fehlt es oft an Rücksichtnahme. Wer zu Fuß vom nördlichen auf den südlichen Gehweg wechseln will, kreuzt zunächst recht problemlos die verbliebene Kfz-Spur, die hier als Einbahnstraße verläuft und mit zahlreichen schwarz-gelben Schwellen gespickt ist. Dann jedoch, hinter einer Doppelreihe von Pflanzkästen aus Aluminium, rollen flott die Fahrräder in engem Takt in beide Richtungen – an das Tempolimit von 10 Stundenkilometern, das gerade in zweiter Instanz vom Oberverwaltungsgericht bestätigt worden ist, hält sich exakt niemand.

Irgendwie ungut, finden viele AnwohnerInnen, und auch das Bezirksamt hat Wind von der wenig befriedigenden Situation bekommen (wobei bislang offenbar lediglich ein einzelner Fuß-/Rad-Unfall aktenkundig ist). Erste Abhilfe könnte nun ein kleines Verkehrsexperiment schaffen, das ein TU-Student im Rahmen seiner Masterarbeit durchführt und das von der Senatsverwaltung für Mobilität mit 15.000 Euro finanziert wird.

Forschungsobjekt Anhaltewillen

Um zu ermitteln, wie sich die sogenannten Querungskonflikte am besten reduzieren lassen, werden RadfahrerInnen bei der Annäherung an die Zebrastreifen derzeit mit den folgenden Elementen konfrontiert: 1. Querstreifen, erst schmal, dann breiter, 2. ein Fußgängerpiktogramm, 3. gelb blinkende Bodenlichter und 4. erhabene Riffel bzw. „Rüttelstreifen“. Im November werden laut Bezirksamt vergleichende Zählungen des Nachwuchsforschers vorliegen und Aufschluss über den jeweiligen „Anhaltewillen“ geben.

Das Ganze soll dabei auch dem größeren Ganzen dienen, indem die „Erkenntnisse in die Überlegungen zu Standards für Fußgängerüberwege über Radverkehrsanlagen einfließen“, so das Bezirksamt weiter. Exakte Geschwindigkeitsmessungen sind im Rahmen des Versuchs übrigens genauso wenig geplant wie eine Aufhebung der komplett nichtigen 10-km/h-Regelung: „Die Missachtung der Regelung kann nicht Anlass für eine Änderung der Anordnung sein“, teilt eine Sprecherin der taz mit.

Irgendwann geht es den RadlerInnen ohnehin an den im Fahrtwind flatternden Kragen: Die derzeitige Gestaltung des Straßenabschnitts ist nämlich nur eine Zwischenlösung bei der Umsetzung des „Modellprojekts Bergmannkiez“. Bald steht ein städtebaulicher Wettbewerb für diesen Straßenabschnitt an, zur Einrichtung einer FußgängerInnenzone sowie die „klimaresiliente Umgestaltung“, vielleicht sogar mit einem kleinen Bach. Bis das alles so weit ist, kann es erfahrungsgemäß noch eine Weile dauern. Vielleicht gibt es dann ja schon eine Eins-A-Fahrradbahn auf der Gneisenaustraße – und alle sind, endlich, zufrieden.

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