Visionen der Internationale Automesse: Die Panne der Zukunft

Auf der IAA dominieren wieder SUVs, Sportwagen mit Verbrennungsmotoren. Die meisten Elektrowagen dagegen sind Prototypen oder Showcars.

Eine Gruppe Menschen, die Virtual Reality Brillen trägt

Blicken sie in die Zukunft oder nur ins Schwarze? Foto: ap

FRANKFURT taz | Mit dem Minimusical „LaLaLand“ wollte Mercedes auf der IAA den Blick in die digitale Zukunft der urbanen Mobilität wagen. Junge Menschen bewegen sich um einen Vision EQ, ein stylisches digitalisiertes Elektrotaxi, das aussieht wie eine vom Smart abgeleitete Glaskugel auf vier Rädern. Doch die Präsentation gerät zum Flop: Der Wagen bleibt auf offener Bühne liegen.

Die Panne vor den Augen des grummelnden Konzernchefs Dieter Zetsche wirft ein Schlaglicht auf diese 67. Internationale Automobilausstellung. „Zukunft erleben“ ist das Motto der Messe. Tatsächlich aber sind Dutzende Prototypen und Showcars zu sehen, die nur Visionen der Elektromobilität zeigen. In der real existierenden Autowelt dagegen dominieren schwere SUVs und aufgemotzte Sportwagen. Die meisten Elektrofahrzeuge kommen frühestens in ein paar Jahren auf den Markt. Und die Marktführer der E-Mobilität, Tesla und Nissan, sind gar nicht erst nach Frankfurt gekommen.

BMW-Chef Reitze heißt Bundeskanzlerin Angela Merkel am Stand des „europäischen Marktführers der Elektromobilität“ willkommen. Stolz präsentiert er eine überarbeitete Version das Elektropioniers i3 und Facelifts der erfolgreichen kleinen BMW-Hybrid-Fahrzeuge. Die futuristische Studie iVison dagegen ist meilenweit von der Marktreife entfernt. Anders das elegante Coupe i8 mit Flügeltüren, das laut Produktschild für schlappe 134.000 Euro zu haben ist – abzüglich 2.000 Euro „Umweltprämie“. „Zukunft lohnt sich“, lobt BMW den Rabatt. Bei der Tochterfirma Mini steht ein E-Conceptcar, doch den Earcatcher gibt ein aufgemotzter Mini aus der Serie „Cooper Works“. Das aggressive Röhren seines 231-PS-Motors wummert aus der Audioanlage im Innern. Krach ist in der Halle erlaubt, giftige Emissionen nicht.

VW-Chef Matthias Müller, der den Dieselskandal bewältigen muss, hatte zum IAA-Start versichert: „Wir haben verstanden“. 80 neue E-Modelle hat er angekündigt, 30 davon rein elektrisch. 20 Milliarden Euro will er investieren, 50 weitere in die Produktion moderner Batterien. Doch die meisten E-Autos auf dem VW-Messenstand sind Zukunftsmusik. Publikumsmagnet ist die Studie „Buzz“, ein Bulli mit Elektroantrieb. „Wann kann man den kaufen?“, fragt eine weitgereiste Journalistin. „Frühestens 2022“ muss VW-Mann Harald Krüger einräumen, auch dass die Neuauflage des Transporters seit 15 Jahren in mindestens fünf Versionen auf internationalen Messen zu sehen war. Jetzt soll der Buzz endlich realisiert werden, hat der Vorstand gerade beschlossen.

Die „Pressekonferenz“ der VW-Tochter Seat übertönt das Gespräch. Der Vorstandsvorsitzende präsentiert einen neuen Rekord beim Absatz und 40 Prozent mehr Gewinn im Vergleich zum Vorjahr. Kein Wort über Alternativen zum Verbrennungsmotor. Bei der VW-Tochter Bugatti steht der Bolide Chiro „Zero 400 Zero“, der sich in 42 Sekunden auf 400 Stundenkilometer beschleunigen lässt – und auf null abbremsen. In Halle 2 stellt Mercedes AMG mit großem Getöse einen neuen 1000-PS-Sportwagen auf die Bühne, der in sechs Sekunden auf 200 sprintet. Wie die meisten Conceptcars auf dieser Messe benötigt auch er eine Fläche, auf der ein kleiner Transporter Platz hätte. Das gilt auch für die neuen Oberklassen-SUVs von BMW und Audi.

Die Marktführer der E-Mobilität, die Hersteller Tesla und Nissan, sind gar nicht erst nach Frankfurt gekommen

Und Ford – „die tun was“ – bietet zum Jubiläum des legendären Mustangs ein quietschoranges GT-Coupe an. Verbrauch im Drittelmix: 24,3 Liter Benzin, 344 Gramm CO² pro Kilometer. VW-Tochter Bentley feiert den New Continental mit 665 PS, Preis ohne Extras 198.000 Euro. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Der Trend dieser Automesse erinnert an die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt: Die Angebote für wenige Superreichen sind vielfältig und wachsen, genauso wie die Preise. Eher an den Rändern deutet sich auf dieser IAA der fundamentale Wandel der Mobilität an, der aufgrund endlicher fossilen Ressourcen und der Überlastung der Ballungsräume mit Verkehr und Abgasen unausweichlich scheint. Vor allem die Zulieferer haben die tiefgreifenden Veränderungen erkannt. Ein E-Fahrzeug besteht aus viel weniger Teilen als ein Auto mit Verbrennungsmotor. Aus für Getriebe, Kupplung und Auspuff.

Einen Blick in diese Zukunft versucht die Messe auf Ebene 3.1, über den VW-Ständen. Auf den ersten Blick dominieren in der „New Mobility World“ nicht Autos, sondern E-Bikes und E-Roller. Es sei eine falsche Vorstellung, dass in der urbanen Mobiltät der Zukunft Verbrennungsmotoren einfach durch ebenso viele E-Antriebe ersetzt werden könnten, sagen Fachleute. Öffentlicher Nahverkehr, Carsharing und der Wechsel zwischen Verkehrsmitteln: das ist Zukunft. Und so rollern und radeln die Besucher über zwei abgesteckte Parcours, staunen über den Entwicklungsstand der E-Zweiräder.

Taxis und Rollstühle

Nebenan präsentiert die London Electric Vehicle Company ein E-Taxi für bis zu sechs Fahrgäste, das kantig, charmant und praktisch daherkommt wie die legendären schwarzen Diesel-Taxis. 62.000 Euro kosten die Wagen, für Amsterdam werden die ersten 50 Exemplare noch in diesem Jahr geliefert. Die Zulassung für Deutschland stehe unmittelbar bevor, so ein Sprecher von LEVC. Nicht weit entfernt steht ein Microlino, ein elektrischer Winzling, dessen große Frontflügeltür an die alte BMW Isetta erinnert. Schon 2018 soll die Produktion beginnen, in Italien. Tausende Wagen sind bereits bestellt. Die „New Mobility World“ nimmt in den Nischen Fahrt auf.

Bei ihrem Rundgang schaut die Bundeskanzlerin auch hier vorbei. Am Stand der Firma Paravan trifft sie Roland Arnold, einen schwäbischen Tüftler. Sein mittelständisches Unternehmen habe sich zum globalen Marktführer entwickelt, berichtet Arnold. Nahezu alle Hersteller autonom fahrender Fahrzeuge bezögen Steuerungselemente der Firma, die auf der schwäbischen Alb 180 MitarbeiterInnen beschäftigt.

Paravan hatte die Elektronik zunächst für die Steuerung elektrischer Rollstühle entwickelt. Als er erstmals von der Entwicklung autonom fahrender Autos gehört habe, sei ihm klar gewesen, dass sich damit nicht nur Rollstühle, sondern alle Fahrzeuge ohne Steuerrad steuern ließen, so Arnold. „Dreifach redundant“ werde die von seinem Firma entwickelte Elektronik inzwischen in autonom fahrende Fahrzeuge eingebaut, wegen der Sicherheit. „Versagt die Steuerung, ist das nämlich tödlich“, erläutert Arnold der sichtlich beeindruckten Kanzlerin. Nicht alle deutschen Hersteller müssen bei der Elektromobilität aufholen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.