Von Radbahn bis Flussbad: Was spricht denn gegen Kühlung?

Nicht jedes kreative urbanistische Projekt ergibt Sinn. Aber das Flussbad Berlin hat Potenzial zur Verbesserung der Stadt. Ein Wochenkommentar.

Mann springt mit Fahrrad in den Müggelsee

Man kann natürlich auch mit dem Fahrrad baden gehen – aber das ist ein anderes Thema Foto: dpa

Nicht alles, was glänzt, ist Gold, und nicht alles, was originell klingt, ist tatsächlich genial. Diese triviale Erkenntnis lässt sich auch auf kreative städtebauliche Ideen übertragen, von denen es heutzutage nicht wenige gibt, in Berlin und überall. Es kommt darauf an, genau hinzuschauen.

Zum Beispiel muss man ein großes Fragezeichen hinter die vor fast einem Jahrzehnt erdachte „Radbahn“ setzen, oft als potenzieller Mobilitäts-Leuchtturm gehypt, am Ende aber ein Opfer der Verhältnisse. So charmant der Vorschlag klingt, Fahrräder wettergeschützt unter der Kreuzberger Hochbahn rollen zu lassen, so wenig lassen es die Gegebenheiten zu, dass das am Ende auch Sinn ergibt. Zur Tatsache, dass unterm Viadukt an vielen Stellen zu wenig Platz ist, kommt das Problem, zügiges Fahren und Abbiegen in einer Mittellage zu organisieren.

Dann wurde das Ganze auch noch von der politischen Entwicklung überholt: Wozu umständlich Sonderwege einrichten, wenn nun die Möglichkeit zum komfortablen Fahren am Straßenrand gesetzlich vorgeschrieben ist? Mittlerweile ist die vielfach geförderte Radbahn zum „Reallabor“ geworden, bald soll auf 200 Metern zwischen Kottbusser Tor und Görlitzer Bahnhof ein „Testfeld“ eröffnet werden – mit „Aufenthaltsqualität“. Man darf gespannt sein, wie das zwischen den vorbeirauschenden Autos gelingt.

Anders verhält es sich mit dem schon seit einem Vierteljahrhundert gärenden Projekt „Flussbad“. Auch dies auf den ersten Blick eine geniale Idee und auf den zweiten ein Projekt, gegen das in der Praxis so gut wie alles spricht. Auf den dritten Blick aber bleibt die öffentliche Badeanstalt am Rande der Museumsinsel eine verdammt attraktive Idee, und nun haben es die Initiatoren nach eigenem Bekunden auch geschafft, die Umsetzungsprobleme angemessen zu lösen.

Denn der umwelttechnischen Studie zufolge, die sie in der vergangenen Woche vorgestellt haben, ist das Spreewasser erstens gar nicht mehr so schmutzig wie sein Ruf, und dann lässt es sich auch noch mit deutlich weniger Aufwand als befürchtet ökologisch reinigen. Wenn sich das bewahrheitet, dürfte die Kostenfrage eigentlich kein K.o.-Kriterium mehr sein.

Es fehlt an Unterstützung

Schwieriger wird es jetzt ausgerechnet bei der politischen Unterstützung. Denn die linke Stadtentwicklungssenatorin – die von der Idee sehr angetan war – ist Geschichte, und in der ex-proletarischen SPD, die mittlerweile Senator und Baudirektorin stellt, rümpft man im Verein mit Stadtschloss-Preußen und Einheitswippen-Altvorderen die Nase. Als ob es nicht an derselben Stelle bereits ein Flussbad gegeben hätte, und als ob es nicht ein museal erstarrtes Stadtzentrum erfreulich belebte, wenn hier ganz normale Menschen ein wenig Körperkultur betrieben.

Der Flussbad-Verein setzt deshalb nun offenbar vermehrt auf die Klima-Karte und will sich damit die Unterstützung der zuständigen grünen Senatorin sichern: Die unterstützt ja sonst auch alles, was der Stadtbevölkerung in den bevorstehenden Hitzesommern Kühlung verspricht. Und die müsste in diesem Fall noch nicht einmal mit hohem Energieeinsatz erzeugt werden.

Vielleicht dauert es ja noch einmal 25 Jahre, bis man tatsächlich auf der so umstrittenen Freitreppe ins Wasser schreiten kann. Aber lohnen würde es sich.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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