Votum gegen neuen Reaktor im Baltikum: Litauen sagt „Ne“ zum AKW

Trotz einer Angstkampagne der Regierung stimmen die Wähler gegen den Bau eines neuen Meilers in Litauen. Das Votum soll respektiert werden.

Sie stimmen für seine Zukunft: Wähler am Sonntag in Litauen. Bild: dapd

STOCKHOLM taz | Fast 63 Prozent der litauischen WählerInnen sagten bei einer Volksabstimmung am Sonntag Nein („Ne“) zum Bau eines neuen Atomreaktors. Laut Verfassung handelt es sich zwar nur um ein „beratendes“ Referendum, doch alle Parteien hatten sich bereits im Vorfeld dazu verpflichtet, das Ergebnis zu respektieren.

Dass nach den gleichzeitig stattgefundenen Parlamentswahlen zwei linke Parteien die Regierung bilden dürften, macht die Umsetzung des Volkswillen noch wahrscheinlicher. Parlament und Regierung würden den „Volkswillen in ihre Entscheidung einfließen lassen“, sagte der sozialdemokratische Parteichef und mögliche künftige Ministerpräsident Algirdas Butkeviius am Montag.

Es ging um den vom Parlament bereits abgesegneten 1.300-Megawatt-Siedewasserreaktor nahe dem seit 2009 stillgelegten AKW Ignalina. Die japanische Hitachi-GE Nuclear Energy sollte ihn bauen. Möglich war das Referendum geworden, nachdem die beiden Linksparteien, die den Bau lange befürwortet hatten, ihren Kurs änderten.

Sie begründeten das mit Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die ihnen nicht vorgelegen hätten. Die Baukosten sollten bei 6 bis 8 Milliarden Euro liegen – eine Größenordnung, die die Wirtschaftskraft des 3-Millionen-Einwohner-Landes übersteigen würde. Leicht hatten es die Atomgegner nicht: Die Medien berichteten überwiegend pro AKW, die Regierung schreckte auch vor Einreiseverboten gegen weißrussische Anti-Atom-Aktivisten nicht zurück.

„Ewige“ Abhängigkeit

Doch das zentrale Argument lautete: Wer dagegen sei, dass Litauen mit einem eigenen Atomreaktor „unabhängig“ von ausländischer Energieversorgung werde, sei dafür verantwortlich, dass das Land in „ewiger“ Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen gehalten werde.

Doch die Angstkampagne, die noch 2008 dazu geführt hatte, dass 88 Prozent sich bei einem Referendum für eine längere Laufzeit von Ignalina ausgesprochen hatten, zog nicht mehr. Neben der Katastrophe von Fukushima und dem Beispiel des deutschen Atomausstiegs hat für den Umschwung wohl auch eine Rolle gespielt, dass sich die damaligen Szenarien nicht bewahrheitet haben. Litauen hat nun seit fast drei Jahren keinen Atomstrom mehr, und die Wirtschaft ist nicht zusammengebrochen. Die Strompreise sind zwar gestiegen – aber vor allem wegen Steuererhöhungen.

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