Wahlen im Kongo: Afrika fordert einen Ergebnisstopp

Die Afrikanische Union fordert, die Verkündung des strittigen Ergebnisses der Präsidentschaftswahl auszusetzen. Das ist beispiellos.

"Wir fordern die Wahrheit der Urnen!" Anhänger des angeblich unterlegenen oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Martin Fayulu am Samstag vergangener Woche in Kinshasa

Anhänger des angeblich unterlegenen oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Martin Fayulu am Samstag vergangener Woche in Kinshasa Foto: reuters

BERLIN taz | Zum ersten Mal in ihrer Geschichte ergreift die Afrikanische Union (AU) Partei gegen eine Regierung ihrer Mitgliedsstaaten in einem Konflikt um umstrittene Wahlen. Auf einem Sondergipfel am AU-Sitz in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba forderte die Organisation am späten Donnerstagabend die Behörden der Demokratischen Republik Kongo auf, die in den nächsten Tagen erwartete Verkündung des Endergebnisses der Wahlen vom 30. Dezember zu „suspendieren“. Es bestünden „ernste Zweifel an der Übereinstimmung der von der Wahlkommission verkündeten vorläufigen Ergebnisse mit den abgegebenen Wählerstimmen“, so die Erklärung weiter.

Damit spitzt sich der Streit um die Wahlen im Kongo international zu. Die Wahlkommission des Landes hatte am 10. Januar überraschend den Oppositionspolitiker Félix Tshisekedi zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt: Er liege mit rund 38 Prozent vor dem eigentlich wichtigsten Oppositionskandidaten Martin Fayulu, dem 34 Prozent zugeschrieben wurden, und Regierungskandidat Emmanuel Shadary mit 23 Prozent, hieß es. Aber die mehrheitlich um Fayulu gruppierte Opposition lehnte das umgehend ab.

Was einerseits als historisches Eingeständnis der kongolesischen Regierung in ihre eigene Wahlniederlage gefeiert wurde, wurde in den Folgetagen von immer mehr Beobachtern als grobe Fälschung zurückgewiesen.

Die katholische Bischofskonferenz CENCO, die das größte kongolesische Wahlbeobachternetzwerk unterhielt, legte dem UN-Sicherheitsrat vor einer Woche ausführlich dar, wieso sie das offizielle Ergebnis für nicht konform mit ihren eigenen Daten hielt. Mehrere internationale Medien veröffentlichten diese Woche detaillierte Datensätze aus der Wahlkommission, aus denen ein deutlicher Sieg Fayulus hervorgeht.

Zweidrittelmehrheit im Parlament

Die Strategie der scheidenden Regierung von Präsident Joseph Kabila wurde klar, als die Wahlkommission am vergangenen Wochenende den bisherigen Regierungsparteien eine Aufrechterhaltung ihrer Zweidrittelmehrheit im Parlament bescheinigte. Demnach würde die Kabila-Regierung an der Macht bleiben – durch einem Oppositionellen als Staatspräsidenten aber weitere Massenprotesten und Aufstände der geeinten Opposition abwenden.

Doch international blieb Kongos Regierung mit dieser Strategie isoliert. Vor der AU hatten bereits die Regionalorganisationen SADC (Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika) und ICGLR (Internationale Konferenz der Region der Großen Seen) Zweifel an den offiziellen Wahlergebnissen geäußert. In einer ungewöhnlich kritischen Erklärung hatte die ICGLR sogar unverblümt Kongos Behörden zur „Auszählung der Stimmen“ aufgefordert.

Der Sondergipfel in Addis Abeba vereinte nun SADC und ICGLR mit der AU. Einberufen hatte ihn der amtierende AU-Ratspräsident Paul Kagame – Präsident von Ruanda und historischer Gegner der Kabila-Regierung. Kagame und AU-Kommissionschef Moussa Faki aus dem Tschad wollen nun am Montag zu Gesprächen nach Kinshasa reisen.

Das stellt Kongos Regierung vor ein Dilemma. Das Oberste Gericht in Kongos Hauptstadt Kinshasa verhandelt seit Dienstag über Fayulus Wahlanfechtung. Ein Urteil wird für Samstag erwartet. Wird Tshisekedis Sieg als amtliches Endergebnis bestätigt, was weithin erwartet wird, soll dieser am kommenden Dienstag als Staatspräsident vereidigt werden. Ein Blitzbesuch der AU am Montag stört aber diese Abläufe erheblich.

In einer ersten Reaktion erklärte Kongos Regierungssprecher Lambert Mende, Kongos Justiz sei unabhängig und die AU habe dem Obersten Gericht nichts zu sagen. Wobei die Option, die Verkündung eines amtlichen Endergebnisses auszusetzen, auch der Regierung Vorteile bringt: Je länger das alles dauert, desto länger bleibt Kabila selbst Präsident.

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