Wahlwiederholung in Berlin: Ausschließeritis ist eine Krankheit

Drei Wochen vor der Wahl häufen sich die Ankündigungen, welche Koalition gar nicht gehen soll. Hielte man die durch, drohen nach der Wahl Probleme.

Das Foto zeigt ein Plakat, auf dem "Hoeneß raus" steht, hochgehalten von einem Fußballfan.

Abgrenzungen gibt es bei Koalitionsfragen zur Wahlwiederholung genauso wie im Bundesligafußball Foto: dpa

Ein ganz spezieller politischer Krankheitserreger wabert gerade durch den Berliner Wahlkampf: die Ausschließeritis. Erst kündigt die FDP an, dass sie sich nach der Wiederholungswahl am 12. Februar keine Zusammenarbeit mit den Grünen vorstellen kann. Dann distanzieren sich die Grünen von der CDU. Und nun bedrängt die CDU die SPD-Landesvorsitzende und Regierungschefin Franziska Giffey, eine weitere Koalition mit der Linkspartei auszuschließen.

Ist das ernst gemeint, so könnte es nach Wahl nur ein Bündnis geben: Schwarz-Rot-Gelb, die so genannte Deutschlandkoalition. Andere realistische Varianten mit Chancen auf eine Parlamentsmehrheit bleiben nach dieser Ausschließeritis nämlich nicht. Das aber wäre das Ende von demokratischer Mehrheitsbildung – und ist deshalb in gleicher Weise unrealistisch.

Gründe mag es jeweils durchaus geben, mal kurzzeitig erregt: „Mit denen nicht!“ zu rufen. Bei FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja ist es die kaum überraschende Erkenntnis, das die Grünen auf Landesebene anders ticken als in seinem Wohnbezirk Steglitz-Zehlendorf. Und das, obwohl seine engste grüne Partnerin 2021 beim Aushandeln der dortigen Ampel die jetzige Landesparteichefin Susanne Mertens ist.

Bei Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch wiederum ist nachvollziehbar, dass sie nicht viel vom Ansatz der CDU hält, die Ausschreitungen der Silvesternacht mittels einer Vornamen-Abfrage aufzuarbeiten. Und dass die CDU bei Giffey Konsequenz anmahnt, erscheint nur logisch, wenn die Regierungschefin Gewissensgründe gegen Enteignungen anführt, während die Linkspartei die Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen hofiert.

Die Parallelerkrankung zur Auschließeritis ist übrigens die feste Koalitionsaussage

Solche Konsequenz, rasches Reagieren und entschiedenes Gegenhalten sollen Haltung ausdrücken – und vor allem das Wahlergebnis am 12. Februar aufbessern. Taktisch mag das nicht falsch sein. Strategisch aber führt es in die Sackgasse.

Denn was passiert denn, wenn diese Wahl so ausgeht, dass es nichts wird mit dem Wunschergebnis? Wenn es nicht reicht für eine Fortsetzung von Rot-Grün-Rot, die sich viele im links dominierten grünen Landesverband wünschen? Und genauso wenig für eine Deutschlandkoalition? Wenn man andere Partner braucht?

Prognosen sind bekanntlich schwierig

Denn das kann gut passieren. Weil vielleicht entweder die Grünen selbst einbrechen, falls bisherige Anhänger meinen, sie für die Räumungen im fast 600 Kilometer entfernt Lützerath verantwortlich machen zu müssen. Oder weil die Wählerschaft Giffey und ihrer SPD ankreidet, dass es zu den Ausscheitungen in der Silvesternacht kam, und die Sozialdemokraten deshalb deutlich Stimmen verlieren.

Eine Zusammenarbeit mit der AfD auszuschließen ist das eine, und dabei bleibt es hoffentlich tatsächlich. Für alle anderen aber gilt: Demokratische Parteien müssen zumindest miteinander reden können. Wer weiß denn, ob die jeweils andere nicht von einem Punkt abrückt, der als unüberbrückbares Hindernis galt – weil sie dafür einen anderen wichtigen Punkt durchsetzen kann, der zuvor für die Gegenseite unverhandelbar schien.

Die Parallelerkrankung zur Ausschließeritis ist übrigens die feste Koalitionsaussage. Die ist aus oben genannten Gründen genauso wenig hilfreich: Wenn die Prozente dafür nicht ausreichen, ist sie hinfällig und bloß noch Anlass für wütende Reaktionen der jeweiligen Parteianhänger, die sich durch ein anderes Bündnis dann wahlweise betrogen, verraten oder verschaukelt fühlen.

Franziska Giffey hat vor einer Woche beim Spitzenkandidaten-Talk im taz-Haus gesagt: „Ich finde es nicht richtig, vor der Kenntnis eines Wahlergebnisses Koalitionsaussagen zu machen.“ Ein Regierungschef von der CDU hat es noch klarer ausgedrückt: „Entscheidend ist, was hinten raus kommt.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

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