Wehrpflicht-Pläne: Guttenberg spaltet die Armee

Die Zeitsoldaten sind mit dem Minister über die Aussetzung des Zwangsdiensts einig. Die Wehrpflichtigen und Teile der Union sehen das anders.

Ohne Mampf kein Kampf: Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg im Feldlager Masar-I-Scharif. Bild: dpa

BURG taz | Schwungvoll steigt Karl-Theodor zu Guttenberg die kleine Treppe aus dem Helikopter hinunter. Die Entschiedenheit, mit der der Verteidigungsminister auf die wartenden Soldaten in der Bundeswehrkaserne in Burg in Sachsen-Anhalt zuschreitet, passt nicht zu seiner Lage. Seit er mit seinem Vorstoß zur Aussetzung der Wehrpflicht auf harte Kritik aus den eigenen Reihen stößt, ist zu Guttenberg in seiner Wortwahl vorsichtiger geworden.

Um den Minister auf Truppenbesuch zu beeindrucken, haben sich die Soldaten schwer ins Zeug gelegt. Ein großer Lastwagen liegt umgekippt im Dreck, die Soldaten führen vor, wie man ihn mit Hilfe mehrerer Bergungsfahrzeuge wieder aufrichtet. So werde das auch in Afghanistan gemacht, dröhnt es aus dem Lautsprecher.

Die Zeitsoldaten, die in Afghanistan waren oder möglicherweise dort eingesetzt werden, stehen in einem Block rechts am Waldrand. Am anderen Ende des Truppenübungsplatzes, unter einem Zeltdach, wurden die Rekruten aufgestellt. Es sind die zwei Seiten einer Debatte: Auf der einen Seite die moderne Einsatztruppe, auf der anderen Seite die traditionelle Bürgerarmee.

Das Verteidigungsministerium prüft eine Reduzierung der Bundeswehr von 252.000 auf 205.000 oder 170.000 Soldaten. Bei der zweiten Variante würde die Wehrpflicht ausgesetzt. In einer Umfrage des Leipziger Instituts für Marktforschung sprach sich die Hälfte der Bundesbürger gegen den Pflichtdienst aus, 48 Prozent waren dafür. Aus der Union sind 54 Prozent dafür. Für eine Berufsarmee: bei den Grünen 71, bei der Linken 58, bei der FDP 57, bei der SPD 50 Prozent.

Guttenberg bewegt sich auf dem Truppenübungsplatz hin und her, wie er seit Monaten im öffentlichen Diskurs herumlaviert. "Wir brauchen Sie dort unten", sagt er zu den Zeitsoldaten. Mit den Wehrpflichtigen spricht er dagegen über "Kameradschaft" und sagt, sie sollten "draußen" davon erzählen, was ihnen die Bundeswehr bedeutet.

Guttenberg benötigt eine effektive Armee für Auslandseinsätze und unterliegt Sparzwängen, doch in der Union gibt es nach wie vor viele, die in der Bundeswehr auch eine Art Erziehungsanstalt sehen, in der Werte vermittelt werden. Diese Menschen will Guttenberg nicht verprellen und redet deshalb häufig drumherum, bis hin zu paradoxen Formulierungen wie dem "freiwilligen Pflichtdienst".

Nicht alle sagen so deutlich wie der saarländische Ministerpräsident Peter Müller, dass sie die Wehrpflicht als Identitätsfrage sehen, aber etliche Unionspolitiker haben sich mittlerweile für den Erhalt ausgesprochen: etwa Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, Unionsfraktionschef Volker Kauder, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann.

In der Kaserne verläuft die Trennlinie zwischen Zeitsoldaten und Wehrpflichtigen. Es lässt sich kein Zeitsoldat finden, der die Wehrpflicht wirklich verteidigt. "Sie müssen sich das mal vorstellen, es ist ein Unternehmen, das zur Hälfte aus Praktikanten besteht", sagt ein Hauptmann. Ein anderer Soldat meint, statt der Wehrpflicht solle man lieber mehr Stellen für Zeitsoldaten schaffen. "Die haben dann auch eine Perspektive bei der Bundeswehr." Unter den Wehrpflichtigen sind ganz andere Töne zu hören. Der Pflichtdienst müsse bleiben, sagt einer: "Hier lernen wir Disziplin und Kameradschaft." Ein anderer Rekrut meint, es sei wichtig, für das "Vaterland" einzustehen.

Guttenberg weiß, dass er die FDP hinter sich hat. Um sich in der Union durchzusetzen, steht ihm aber noch ein schwerer Kampf bevor. Deshalb prescht er mal vor, um dann wieder auf den politischen Abstimmungsprozess im Herbst zu verweisen. Er möchte sich nicht vom Bundesverfassungsgericht diktieren lassen, wie die Bundeswehr strukturiert sein muss. Die derzeitige Praxis, nur einen Teil des Jahrgangs einzuziehen, könnten die Richter als Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz kippen.

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