Weltumweltgipfel Rio+20: Obama bleibt zu Hause

Umwelt und Klima sind im US-Wahlkampf kein Thema. Trotz Bitten der großen Umweltorganisationen bleibt er Rio fern. Im Energiesektor des Landes verändert sich aber viel.

Symbolischer Protest in Rio. Bild: reuters

WASHINGTON taz | Barack Obama fährt nicht nach Rio – obwohl UN-Generalsekretär Ban Ki Moon dem amerikanischen Präsidenten versichert hat, seine Teilnahme beim „Erdgipfel“ wäre „entscheidend“. Und obwohl fast zwei Dutzend der größten Umweltverbände ihn öffentlich angefleht haben, mit seiner Anwesenheit ein Zeichen für „alle Amerikaner“ und für den Rest der Welt zu setzen, schickt Obama seine Außenministerin vor. Er selbst bleibt zu Hause und macht Wahlkampf gegen den Herausforderer Mitt Romney, der öffentlich erklärt, „wir müssen erst noch herausfinden, was den Klimawandel verursacht“.

Die Umwelt, das Klima und die Rio-Konferenz sind im Wahljahr in den USA große Abwesende. Das Thema spielt derzeit keine Rolle – alles dreht sich um Arbeitsplätze. Bei den Demokraten läuft die Umwelt unter dem Stichwort „Energie“, die Republikaner wollen das Umweltbundesamt EPA schließen. „Das Bundesumweltamt hat der Kohle den Krieg erklärt“, sagt der republikanische Kongressabgeordnete Tim Murphy in Pennsylvania, „es muss weg.“ Sein Kandidat Romney glaube, dass „unsere Wissenschaftler und Ingenieure Lösungen für saubere Kohle entwickeln können.“

In seiner Regierungszeit habe Präsident Obama viel vorangebracht, sagen Umweltschützer wie David Scott, der zum Führungsgremium des 1,4 Millionen Mitglieder starken „Sierra Clubs“ zählt. Scott schwärmt von „wunderbaren Dingen“ wie den Milliardeninvestitionen in grüne Technologien im Rahmen des Konjunkturprogramms, dem gestärkten Umweltbundesamt, neuen Luftreinhaltungsrichtlinien sowie strengeren Abgasregeln für Autos, die die USA mit dem Rettungspaket für ihre Autoindustrie eingeführt haben.

■ Am Mittwoch beginnt in Rio de Janeiro die wichtigste Umweltkonferenz der Welt: Mehr als 100 Staats- und Regierungschefs aus allen Ecken der Erde werden erwartet.

■ Vor zwanzig Jahren trafen sich die VertreterInnen der internationalen Gemeinschaft erstmals in dieser Stadt zu einer großen Konferenz, um sich gemeinsam Gedanken über die Gefahren zu machen, die unserem Planeten durch Umweltverschmutzung und Verschwendung seiner Ressourcen drohen. Wie vor solchen Gelegenheiten üblich, bemühten sich die Experten der 190 Teilnehmerstaaten auch jetzt wieder vor dem Gipfel um eine gemeinsame Abschlusserklärung, in der die Absichten und Ziele festgehalten werden. Am Dienstag verhinderte ein heftiger Streit – unter anderem über den Schutz der Meere – jedoch noch einen gemeinsamen Text mit dem Titel „Die Zukunft, die wir wollen“.

■ In einer gemeinsamen Erklärung an die Gipfelteilnehmer betonten dutzende Wissenschaftler, Nobelpreisträger und ehemalige Staats- und Regierungschefs die Dringlichkeit wirksamer Umweltschutzmaßnahmen. „Wir stehen an der Schwelle zu einer Zukunft mit beispiellosen Umweltrisiken“, hieß es in dem Appell. Bundeskanzlerin Angela Merkel fährt nicht hin, aber Umweltminister Peter Altmaier und Entwicklungsminister Dirk Niebel. (afp, taz)

Weltführer bei erneuerbaren Energien

Fakt ist: Im Energiesektor der USA finden gegenwärtig massive Umschichtungen statt. Mit seinen vielen neuen Windparks und Sonnenkollektoren waren die USA 2011 Weltführer bei den erneuerbaren Energien. Veränderungen sind vor allem bei Kohle, Gas und Öl zu beobachten. So sank der Anteil der Kohle – traditionell wichtigste Energiequelle in den USA – dieses Jahr erstmals auf unter 40 Prozent bei der Elektrizitätsherstellung.

Die Umweltschützer des „Sierra Clubs“ machen geltend, dass sie mit ihrer Kampagne „Beyond Coal“ 110 neue Kohlekraftwerke im Land verhindert haben. Gas ist in den USA zudem so billig geworden, dass es sich für die Betreiber lohnt, ihre Anlagen von Kohle auf Gas umzurüsten. Dennoch sieht die US-Kohlebranche für sich eine große Zukunft: als Exporteure für Käufer in China und Indien.

Die USA im Gasrausch

Amerikanische Kohleförderer kaufen derzeit neue Abbaurechte im eigenen Land und lassen mehrere Häfen an der Westküste ausbauen. Gleichzeitig befinden sich die USA in einem – vielerorts kaum kontrollierten – Gasrausch: Die heimische Gasproduktion boomt dank des sogenannten Hydraulic Fracturing (Fracking). So wird eine Technik bezeichnet, die bislang unzugänglich gelagertes Gas durch Bohrungen in sehr tiefe Gesteinsschichten mittels Wasser und Chemikalien „befreit“.

Da auch die Ölförderung in den USA – im Meer ebenso wie auf dem Land – in den Obama-Jahren zugenommen hat, gilt Nordamerika (inklusive Kanada und Mexiko) bereits als der neue Nahe Osten.

Wahlkämpfer Obama versichert nun, er verfolge alle Energieoptionen gleichermaßen – von den erneuerbaren bis hin zur Atomenergie. Scott vom Sierra Club hofft, dass Obama am Jahresende die dann auslaufenden Steuernachlässe für Sonnen- und Windenergie verlängert und anschließend die „Keystone XL“- Pipeline verhindert, die schweres Mineralöl aus Kanada bis nach Texas befördern soll.

Die größte Sorge von Umweltschützern in den USA ist der Republikaner Romney. „Sollte er als Präsident tatsächlich umsetzen, was er als Kandidat ankündigt“, sagt David Scott: „wird das ein Albtraum.“

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