Werben mit virtuellen Influencern: Sind die bitte echt?

Erste digitale Models und In­flu­en­ce­r*in­nen sind bereits erfolgreich. Aber wie nahbar können KI-generierte und virtuelle Schönheiten sein?

Zwei Frauenportraits

kein KI-Produkt, sondern aufwendig digital animiert Foto: Screenshots: instagram @shudu.gram; instagram @lilmiquela

BERLIN taz | 15 Milliarden Bilder sind nach Schätzungen der Anbieter bereits mit künstlicher Intelligenz erstellt worden – und mehr als 34 Millionen kommen täglich dazu. KI-Bildgeneratoren sind jetzt für so viele Bilder verantwortlich, wie in den ersten 150 Jahren der Fotografie weltweit aufgenommen wurden. Zeitgemäßer gesagt entspricht das einem Drittel aller Bilder auf Instagram.

Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.

Die Bilder sind noch nicht perfekt. Hier und da tauschen auch beim besten KI-Modell mal die Füße das Bein. Aber sehr bald schon werden diese Bilder nicht mehr durch bloße Betrachtung unterscheidbar sein. „Bereits heute fällt das nicht mehr leicht“, sagt Niels Pinkwart vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Zurzeit sei die Qualität der Bilder aber noch abhängig vom eingesetzten Aufwand – und damit vom Geld.

Im Influencermarketing, das nach Schätzungen des Technologieanbieters kolsquare allein in Deutschland 1,4 Milliarden US-Dollar wert sein soll, steckt genau das. Zwischen 250 und 5.000 Dollar sei Marken ein einzelner Post wert. Virtuelle In­flu­en­ce­r*in­nen sind laut Jeanette Okwu vom Bundesverband Influencermarketing deswegen schon jetzt ein wachsender Trend. Die Figuren brächten den Marken größere Kontrolle – und auch die Möglichkeit, „kuratierte Influencer-Persönlichkeiten für jedes Zielsegment“ zu erschaffen.

Erste Versuche gibt es: Sie heißen Emily Pellegrini, Aitana Lopez oder Sika Moon und sehen seltsam glatt und charakterlos aus. Ausnahmslos sind sie weiblich, haben übermenschliche Körper und oft ziemlich wenig an. Vielleicht blieben deshalb die großen Marken-Deals bisher aus. Nut­ze­r*in­nen kommentieren die Bilder trotzdem: „Manche sind einfach gesegnet“, oder „Du bist wunderschön“ steht darunter.

Lässig posieren die animierten Models

Deutlich erfolgreicher ist da Lil Miquela, 2,6 Millionen Follower, die auf dem Bild mit „ihrem“ neuen Elektroauto einen Kussmund in Richtung Be­trach­te­r*in wirft, lässig für eine globale Modemarke modelt oder mit ihrem real existierenden Friseur posiert. Miquela ist kein KI-Produkt, sondern aufwendig digital animiert. Genau wie Shudu.gram, 240 Tausend Fol­lo­wer*­in­nen – laut der dahinterstehenden Agentur das „weltweit erste digitale Supermodel“.

Auf Shudus Instagram-Kanal sind fotorealistische Bilder wie vom Cover eines Hochglanzmagazins zu sehen: eindrucksvolle Kleider, harte Schlagschatten, gezielt eingesetzte Farben, die perfekte Haut – und Proportionen wie von einer Barbiepuppe. Der ist sie laut ihrem Schöpfer Cameron-James Wilson auch nachempfunden. „Das schreit Luxus“, kommentiert jemand unter einem Werbebild für ein High-Fashion-Label. „Der schönste Mensch, den ich je gesehen habe. Die Haut und alles, das gibt so viel!“.

Daneben ein vermeintlicher Schnappschuss: Shudu beim Kaffeetrinken mit ihrem Kollegen, auch der makellos schön. Die sorgsam kuratierte Bildunterschrift sagt, Shudu hätte ein total inspirierendes Buch gelesen. „Sind die beiden echt? Die Haut leuchtet. Ich liebe es! Sind die bitte echt?“ fragt eine Nutzerin.

Für den gewünschten Effekt müssen In­flu­en­ce­r*in­nen nicht nur schön sein, sondern auch nahbar. Damit haben die KIs zurzeit aber noch ihre Probleme. Denn so wie ChatGPT Regelmäßigkeiten in der Sprache erkennt und damit am Ende wahrscheinliche Wörter errechnet, produzieren KIs wahrscheinliche Bilder.

KI-Influencer*innen zu glattpoliert

Anhand einer kurzen Texteingabe, dem Prompt, schälen die als Diffusoren bezeichneten Bildgeneratoren aus einem Bildrauschen, wie man es von alten Röhrenfernsehern kennt, in vielen kleinen Schritten immer wieder das nächstwahrscheinliche Bild heraus. Aus riesigen Datenmengen haben sie zuvor wahrscheinliche Muster gelernt. Oft ist das Ergebnis recht schön, selten überraschend, häufig stereotyp und meistens ziemlich glatt poliert. Ob Midjourney, Stable Diffusion oder Dall-E – das eint die Modelle alle: Irgendetwas fehlt.

Lange wird das allerdings nicht so bleiben. Während die KI-Modelle zunehmend besser werden, experimentieren Nut­ze­r*in­nen in Foren mit Prompts und Zusatzprogrammen, mit Kontrollnetzwerken und Anpassungsmodellen. Sie haben ein großes gemeinsames Ziel: Aufwendig bügeln sie Unregelmäßigkeiten in die digital-glatte Haut hinein – für ein bisschen Charakter.

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