Wikileaks-Enthüllungen zu Frankreich: NSA hört Präsidenten zu

François Hollande wurde laut Wikileaks ebenso wie seine beiden Vorgänger Sarkozy und Chirac von der NSA bespitzelt. Paris ist sauer.

Jaques Chirac, Nicolas Sarkozy und Francois Hollande

Was reden sie am Telefon? Die NSA weiß es. Foto: dpa

PARIS ap/dpa | Die NSA hat nach Angaben von Wikileaks neben dem Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel auch den französischen Präsidenten François Hollande und seine beiden Vorgänger abgehört. Die Enthüllungsplattform veröffentlichte am Dienstagabend in Zusammenarbeit mit der französischen Tageszeitung Libération und der Investigativ-Webseite „Mediapart“ Dokumente, die die Praktiken des US-Geheimdienstes belegen sollen.

In den veröffentlichten Konversationen der Staatschefs Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und Hollande geht es unter anderem um die griechische Schuldenkrise, die Beziehungen zu Deutschland – und ironischerweise um amerikanische Spionage.

Die Enthüllung führte zu wütenden Reaktionen von französischen Politikern. Ein Krisentreffen von Hollandes Verteidigungsrat wurde für Mittwochmorgen einberufen. Seine Sozialistische Partei kritisierte die mutmaßlichen NSA-Methoden als nicht tolerierbar.

Die Enthüllungen kamen just einen Tag, ehe das Parlament in Paris selbst über ein Überwachungsgesetz entscheiden will. Bei der Vorlage geht es um eine Ausweitung der Beschattung von Terrorverdächtigen. Hintergrund ist der Terroranschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo im Januar, bei dem zwölf Menschen getötet wurden.

Der US-Geheimdienst NSA soll seit 2002 auch das Handy der Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgeforscht haben:

23./24. Oktober 2013: Durch Medienberichte wird bekannt, dass die NSA Merkels Handy ausspioniert hat. Ihre erste Reaktion am Rande eines EU-Gipfels: „Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht.“

18. Januar 2014: US-Präsident Barack Obama versichert im ZDF: „Solange ich Präsident der Vereinigten Staaten bin, muss sich die deutsche Kanzlerin darüber keine Sorgen machen.“

2. Mai 2014: Merkel sieht angesichts der Affäre weiterhin Probleme im Verhältnis zu den USA. Es gebe „noch einige Schwierigkeiten zu überwinden“, sagt sie nach einem Treffen mit Obama in Washington.

4. Juni 2014: Generalbundesanwalt Harald Range teilt mit, dass er wegen des Abhörens der Kanzlerin ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Mitarbeiter von US-Nachrichtendiensten eingeleitet hat.

11. September 2014: Der Generalbundesanwalt informiert Vertreter des NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestags über die Ermittlungen.

12. Juni 2015: Die Ermittlungen werden aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Menschenrechtsgruppen und Datenschützer sind gegen das Gesetz. Die Regierung führt an, dass ein Gesetz aus dem Jahr 1991 lediglich reformiert werde. Von einer Massenüberwachung im Stile der USA distanzierte sich Paris.

Eine Bestätigung der Echtheit des von Wikileaks veröffentlichten Materials lag zunächst nicht vor. Der Sprecher der Plattform, Kristinn Hrafnsson, sagte der Nachrichtenagentur AP, er sei zuversichtlich, dass die Dokumente authentisch seien. Er verwies auf frühere Massenenthüllungen der Plattform, die sich als echt erwiesen hätten.

Ein Berater von Sarkozy sagte der AP, der frühere Präsident betrachte diese Methoden generell als inakzeptabel, besonders, wenn es sich um einen politischen Verbündeten handele. Aus dem Umfeld Chiracs gab es bislang keinen Kommentar. Hollande hatte nach eigenen Angaben seine Bedenken über die NSA-Überwachung 2014 bei einem USA-Besuch in einem Gespräch mit Obama geäußert. Meinungsverschiedenheiten seien dabei ausgeräumt worden.

US-Regierung will sich nicht äußern

Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, Ned Price, teilte mit, die US-Regierung werde sich nicht zu Details äußern. Generell führe sein Land keine Geheimdienstüberwachung im Ausland durch, wenn dies nicht im Interesse der nationalen Sicherheit sei.

Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hat wegen der Spionagevorwürfe nach Angaben aus Diplomatenkreisen die US-Botschafterin in Paris einbestellt. Dies meldete die französische Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch.

Die Botschafterin Jane Hartley solle am Nachmittag ins Außenministerium kommen. Ein Sprecher der amerikanischen Botschaft in Paris wollte den Bericht auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur weder bestätigten noch dementieren. Eine Anfrage beim Pariser Außenministerium blieb zunächst unbeantwortet.

Zuvor hatte der französische Verteidigungsrat erklärt, das Land werde keine Machenschaften dulden, die seine Sicherheit infrage stellten.

Heftige Proteste

Alliierte spähen ihre politischen Freunde seit jeher aus. Die Abhörpraktiken der NSA gegen Staats- und Regierungschefs verbündeter Länder hatten jedoch heftigen Protest vor allem aus Europa nach sich gezogen. Auch Merkel äußerte 2013 nach den Enthüllungen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden scharfe Kritik an der Abhörpraxis der NSA. US-Präsident Barack Obama reagierte mit einer kompletten Überprüfung der Spionage der NSA an.

Wikileaks listete auf ihrer Internetseite den Inhalt von fünf ausgewählten Konversationen aus den Jahren 2006 bis 2012 auf, an denen auch die französischen Präsidenten beteiligt sind. Themen sind unter anderem die Beziehung zu Deutschland, eine hochrangige Berufung bei den Vereinten Nationen, der Nahost-Friedensprozess und das Vorgehen in der Euro-Krise. Ein Bericht vom 24. März 2010 beschreibt Sarkozys Frustration über die Ablehnung der USA, einen Spionagepakt zu unterschreiben. Die Haupthürde sei, dass die USA weiterhin Frankreich ausspionieren wollten, heißt es.

Wie Wikileaks an die Dokumente gelangte, wollte Sprecher Hrafnsson nicht sagen. Auf die Frage, was sonst noch in der französischen Presse auftauchen könnte, sagte er: „Sie können weitere Enthüllungen in naher Zukunft erwarten.“

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