Wir fordern: Bewussteren Umgang mit Social Media

… in der Kriegsberichterstattung, weil wir mit unserer Social-Media-Nutzung zu Kriegsdynamiken beitragen.

Unschuldiger Schlaf? Social Media Nutzung kann Teil des Bösen sein Foto: Franziska Gabbert

BERLIN taz Panter Stiftung | Dass Propaganda ein wichtiges Mittel in einem Krieg ist, ist nichts Neues. Dass wir alle live von unseren Handys am Kriegsgeschehen teilnehmen, schon. Die Medien werden dadurch noch stärker selbst zu Kriegsakteuren. Sie schaffen sich ihr eigenes Netzwerk, dadurch verschieben sich die Dynamiken, Krieg findet jetzt auch online und in Echtzeit statt.

Für die Zukunft bedeutet das, dass ­Informationsschlachten zunehmen werden. Aber: Ob Infoposts, Storys oder Tweets – Kriegspropaganda ist als solche nicht gekennzeichnet.

Wie Nut­ze­r:in­nen beeinflusst werden, geschieht aber unbewusst. Mit dem Konsum von propagandistischer Desinformation geht eine systematische Manipulation und ideologische Indoktrination einher.

Instrumentalisierung von Desinformation ist Teil der Kriegsführung. Aber werden diejenigen Nut­ze­r:in­nen, die diese Inhalte weiterverbreiten, selbst zu Kriegsakteuren? Das Teilen von Informationen im Netz ist nachvollziehbar: Menschen wollen dem Ohnmachtsgefühl, das politische Gewalt auslöst, entfliehen und durch das Teilen von Botschaften, die als Videos und Kurztexte im eigenen Feed erscheinen, zur Selbstwirksamkeit wiederfinden.

Dieser Text ist im Rahmen des Sommercamps der taz Panter Stiftung entstanden und spiegelt nicht die Meinung der taz-Redaktion wieder.

Missstände, die die Gesellschaft nicht im Blick hat, finden oft erst durch Online-­Aktivismus Aufmerksamkeit. Die Reichweite von Social-Media-Kanälen wird aber auch zur Verbreitung von politischen Inhalten instrumentalisiert. Auf den ersten Blick lässt sich „guter“ Aktivismus aber oft nicht von gezielter Desinformation unterscheiden. Für Nut­ze­r:in­nen ist oft nicht erkennbar, was die Quellen der Informationen sind, die sie konsumieren oder gar teilen. Darüber ­hinaus fehlt es auch am Bewusstsein darüber, dass das ein Problem ist. Politische Gruppen, vom Verschwörungstheoretiker bis zum Präsidenten, nutzen Falschmeldungen, Halbwahrheiten oder aus dem Zusammenhang gerissene Informationen, um ihre Ideologien zu verbreiten und ihre Entscheidungen zu legitimieren.

Durch die Flut an Informationen über Kriege und das von ihnen verursachte Leid, haben viele das Bedürfnis, zu helfen und sich zu beteiligen. Am häufigsten genutzt werden hierfür soziale Netzwerke wie Instagram oder Twitter. Das kann problematisch sein, denn die Möglichkeiten des Austauschs in den Netzwerken sind begrenzt. Algorithmen sind nicht dazu ausgelegt, Nut­ze­r:in­nen mit andersdenkenden Nut­ze­r:in­nen zu verbinden, sondern erstellen jeder Person ihre persönliche „Blase“.

Daraus entsteht ein Gefühl der Bestätigung und ein Meinungsbild, das eine scheinbare Realität konstruiert, die es so aber nicht gibt. Gelangt eine falsche Information oder eine bloße Behauptung in diese Blase, wird diese, gerade weil sie kontrovers ist, meist schneller als anerkannte seriöse Fakten gewertet.

Aktivismus im Netz stillt zwar unmittelbar das Verlangen nach Partizipation, ist aber weniger wirkungsvoll. Viele beteiligen sich nicht mehr an im realen Raum stattfindenden Diskussionen oder gehen zu Demonstrationen. Menschen, die sich mit Netzaktivismus zufrieden geben, streben dadurch keinen Ort für kritische Diskussionen an.

Aber: Dieser kritische Blick auf Aktivismus in den sozialen Medien ist eine sehr privilegierte Sichtweise. In vielen Regionen der Welt ist das Internet ein entscheidendes Medium, um frei, anonym und sicher die eigene Meinung ­äußern zu können.

Wie lässt sich das Dilemma zwischen der Aufrechterhaltung der Informationsfreiheit und dem Schutz vor Informations­missbrauch lösen? Brauchen wir mehr Regulierungen oder haben wir es individuell in der Hand, wie wir mit Medien umgehen?

Aufklärende Artikel von der Bundeszentrale für politische Bildung existieren bereits, selbst die „Sendung mit der Maus“ hat sich dem Thema gewidmet. Doch das ist nicht genug. Medienkompetenz erlernt sich nicht über Nacht. Wir brauchen breit gefächerte und medienübergreifende Investitionen in Bildung und Aufklärung, die bereits im Kindesalter anfangen, wie zum Beispiel, dass das Thema im Lehrplan integriert wird.

Letztendlich liegt es jedoch auch an uns, was wir konsumieren und wie wir uns engagieren. Dass uns so viele Informationen zur Verfügung stehen, ist auch eine Chance. Hinterfragt die Quellen. Nutzt die Möglichkeit der sozialen Medien zum Netzwerken und macht auf Missstände aufmerksam, die wenig Beachtung finden. Werdet nicht Teil der Kriegspropaganda.

SEDRA ALSHEHABI, RAZE BAZIANI, SAMI DJELLAB, BRENDA KUSI-APPIAH UND MELANIE SWIONTEK BRZEZINSKI

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