„Wir sind ‚fundamentalistische Islamisten‘“: „Ehrlich, die machen mir auch Angst!“

Yavuz Özoguz verteidigt die islamische Revolution im Iran und das antikapitalistische Potenzial des Islam. Mit Salafisten will er trotzdem nichts zu tun haben

Yavuz Özoguz verteidigt die Islamische Republik im Iran. Foto: dpa

taz: Herr Özoguz, eigentlich boykottieren Sie die taz. Warum?

Yavuz Özoguz: In der Medienlandschaft haben wir nur zwei Boykottaufrufe, der eine gegen die Springer-Presse, ich glaube, das brauche ich nicht zu erklären. Der andere geht gegen die taz.

Das ist ein ungleiches Paar.

Der gegen die taz geht zurück aufs Jahr 2005. Und ich sage Ihnen mal das Zitat, was damals erschienen ist: „Allah ist groß, Allah ist mächtig, hat einen ...“ und diesen Begriff rufe ich jetzt nicht auf. Es war ein unflätiger Ausdruck für das Hinterteil, dessen Größe war mit drei Meter sechzig angegeben.

Ein dummer Witz.

Ich fand das extrem beleidigend für Muslime: Anlass war, dass irgendein durchgeknallter Gelehrter dazu aufgerufen hatte, nicht mehr fernzusehen, und irgendjemand daraufhin seinen Fernseher aus dem Fenster geworfen hatte. Darauf kam dann dieser Kommentar. Da haben wir dann gesagt: Das geht zu weit.

Aber jetzt sprechen Sie mit mir?

Wir sind ja nicht Leute, die ewig auf einem einmal gefällten Urteil beharren. Und so wie Sie mich angerufen haben, das war schon ungewöhnlich.

56, promovierter Verfahrensingenieur, hat zuammen mit seinem Bruder Gürhan das Buch „Wir sind ‚fundamentalistische Islamisten‘ in Deutschland“ geschrieben, von Delmenhorst aus betreiben sie das Portal muslimmarkt.de. Die Hamburger SPD-Politikerin Aydan Özoguz und derzeitige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung ist ihre Schwester.

Ich habe bei unserem Telefonat gesagt: Bei dem Gespräch soll es um die grassierende Islam-Angst gehen, und erzählt, dass mich das Buch, das Sie und Ihr Bruder geschrieben haben, beeindruckt: Sie stellen darin dar, wie diese Angst zu beruflichen Nachteilen für Sie geführt hat, zugleich haben Sie sich nicht als Opfer inszeniert, sondern schon im Titel „Wir sind ‚fundamentalistische Islamisten‘ in Deutschland“ die Angst ironisiert. Was hat dazu geführt, dass Sie, in Bremen und Delmenhorst einst gern gesehene Muster-Muslime, in diese Rolle gedrängt wurden?

Entscheidend ist, dass wir Anti-Zionisten sind. Dieser Anti-Zionismus ist für bestimmte Kreise in dieser Gesellschaft deswegen so gefährlich, weil wir definitiv keine Antisemiten sind. Wir haben etliche Juden für „Muslim-Markt“ interviewt, auch die Mutter eines Anschlagopfers in Jerusalem, die sich für Frieden einsetzt. Trotzdem sagen wir klipp und klar, dass Israel ein Apartheidsregime ist, wie Südafrika. Das ist der Knackpunkt.

Ich fürchte schon, dass dieser Anti-Zionismus, der sich scheinbar nur auf eine Abstraktion, einen Staat bezieht, eben doch einer Position gegen die Menschen Vorschub leistet, die den Staat bilden.

Das halte ich für falsch. Für mich ist das heutige Israel genauso wie das damalige Südafrika. Wenn ich damals gesagt hätte, ich erkenne das heutige Südafrika nicht an – wäre niemand auf die Idee gekommen, zu sagen, ich hätte die Vernichtung aller Buren gefordert. Niemand! Es ging dabei um die Apartheid. Und seit die dort abgeschafft wurde – kann die Mehrheit bestimmen, wer den Staat regiert und wie er heißt. Wenn die den Staat weiterhin Südafrika nennen wollen – bitte, was habe ich damit zu tun? Genauso ist es mit Israel. Sobald die Homelands, die dort palästinensische Autonomiegebiete heißen, abgeschafft sind, und Juden, Christen und Muslime gleichwertige Staatsbürger sind, die ihren Staat Israel nennen wollen – welches Recht hätte ich, das zu kritisieren?

Ich halte es für unerträglich, die Existenz Israels infrage zu stellen von Deutschland aus. Wir gehören zu einem Volk der Täter. Wir dürfen diese Vergangenheit nicht ausblenden.

Ich bin dagegen, überhaupt irgendetwas auszublenden. Aber ich weigere mich zu sagen, Deutschland, heute, wir sind ein Volk der Täter. Jedes Volk dieser Erde ist ein Volk der Täter. Diese Kollektivbestrafung ist gegen jede menschliche Vernunft: Ich bin doch nicht verantwortlich, wenn mein Großvater jemanden ermordet hat! Das ist doch eine Manipulation: Wir sollen uns um die Vergangenheit kümmern, um die Verbrechen von heute zu übersehen.

Wobei das auch die Frage aufwirft, warum in unserem Gespräch über Angst vor dem Islam die Frage Zionismus–Anti-Zionismus so wichtig sein muss?

Das muss ich doch Sie fragen!

Mindestens hatten Sie diese Position schon vertreten, bevor Sie und Ihr Bruder zu gefährlichen Buhmännern aufgebaut wurden. Und da gab es noch keine Spur von Distanzierung: Sie waren ja Teil und Mitorganisator der ersten Bremer Islamwoche.

Das war die erste Islamwoche, die es je in einem Bundesland gab!

Ja eben: Und dann schlug die Bewertung Ihrer Aktivitäten so um. Lag das an 9/11?

Diese Sachen, die uns jeden Tag erreichen, Charlie Hebdo oder die Anschläge im November, das sind Einzelereignisse, die uns kurzzeitig erschlagen. Ich sehe das in einem größeren Zusammenhang: Wir haben seit Kain und Abel einen Kampf des unersättlichen Reichtums gegen die Menschheit. Dass 62 Menschen so viel Reichtum besitzen wie die Hälfte der Menschheit, stand in allen deutschen Zeitungen, vergangene Woche. Diese 62 bräuchten nur die Hälfte ihres Vermögens abzugeben, sie blieben die reichsten Menschen der Welt – und die gesamte Menschheit könnte im Wohlstand leben. Das tun sie aber nicht. Also bedarf es Methoden, um die Milliarden in Schach zu halten, gegen deren Übermacht sie keine Chance hätten.

Was für Methoden?

Teile und herrsche. Und vernichte jeden ideologischen Ansatz, der in Richtung Umverteilung geht. Der Kommunismus ist besiegt. Es gibt letztlich nur noch eine einzige ideologische Quelle, die diese ungerechte Verteilung besiegen könnte.

Und das soll der Islam sein?

Das ist der Islam. Und was macht man: Man geht gegen ihn vor, wie auch schon gegen den Kommunismus, militärisch und propagandistisch. Man stiehlt uns die heiligen Begriffe: Dschihad war für mich immer ein heiliger Begriff, dieser Kampf im Herzen, den jeder Mensch mit sich austragen muss. Ich traue mich kaum noch, ihn zu verwenden. Oder Islamischer Staat – das war für uns, als die Revolution im Iran losging, die erste Hoffnung seit 1400 Jahren, dass wir in diese Richtung gehen können. Mittlerweile haben die Amerikaner den Begriff mit ihrem US-lamischen Staat unmöglich gemacht.

Sie meinen, der IS wäre durch die USA gesteuert?

Ob sie da teilweise die Kontrolle verloren haben, das interessiert mich nicht. Aber all diese Bewegungen gehen vom Westen aus.

Da bin ich skeptisch.

England macht derzeit etwas ganz Interessantes. Das fällt hier kaum jemandem auf. Auf der einen Seite haben sie den Salafismus und das Wahabitentum aufgebaut. Die haben Saudi-Arabien geschaffen, um das Osmanische Reich zu zerstören. Dafür haben sie sich die Sekte der Wahabiten herausgepickt, und sie einflussreich gemacht, bis es zu diesem Staat kam, dem einzigen Staat auf der Welt, der den Namen einer Familie trägt. Nicht einmal der Prophet hat dieses Land, in dem sich die Stätten befinden, die den Muslimen am heiligsten sind, „Mohammed-Arabien“ genannt! Heute heißt es nach der Familie Saud. Die wird vom Westen unterstützt, und sie verbreitet den Gedanken: Schiiten sind keine Muslime, sind Ungläubige und was weiß ich nicht alles.

Das ist doch kein neuer Konflikt?

Nein, aber jetzt kommt’s. Aus England heraus werden 20 Satellitensender von Schiiten betrieben – wenigstens bezeichnen die sich als Schiiten. Die strahlen direkt aus London. Und die behaupten, Sunniten wären keine Muslime. Und beide Seiten kriegen ihr Geld von den Briten. Perfekter kann man das nicht machen. Wir sagen dagegen: Nein, nicht nur Sunniten und Schiiten sind keine Feinde. Die Front ist nicht Muslim gegen Nicht-Muslim, sondern Unterdrückter gegen Unterdrücker.

Sie haben in Ihrer Studienzeit eine Art Bekehrung erlebt: Ursprünglich waren Sie eher säkular unterwegs.

Fast schon christlich: Ich war bei der Evangelischen Studentengemeinde engagiert. Damals stand gerade Nicaragua im Fokus, die Befreiungstheologie, Ernesto Cardenal – das war ein Vorbild.

Sie hatten eine Vorstellung vom Islam als Ursache für Rückständigkeit?

Für mich war Islam Mittelalter pur. Ich habe den Islam auch in der politischen Szene der Welt nicht als Befreiungsbewegung gesehen, sondern als konservative Kraft, die Leute mehr einschläfert als sie aufzurütteln. Nur geschah mitten in meinem Studium dann diese islamische Revolution im Iran.

Die hatte hier aber auch eher wenige Fans?

Iran galt damals als Reich des Bösen und Khomeini war als Teufel erschienen.

Aber?

Dann ist Cardenal dort hingeflogen. Und nach seinem Gespräch mit Imam Khomeini gibt er ein Interview, in dem er sagt: Imam Khomeini ist die Heiligkeit unserer Zeit. Das war für mich der Anstoß, nachzuforschen, und das hat nach rund fünf Jahren zu einer Art Konversion geführt: Ich stamme zwar aus einer türkisch-sunnitischen Familie, habe dann aber den Weg zur Schia gewählt, und im Grunde überhaupt erst zum Islam zurückgefunden.

Die westliche Wahrnehmung fokussiert vor allem auf dessen Zersplitterung – Sunniten, die Shia mit ihren Schulen, die Wahabiten – und die Konflikte dieser Gruppen. Sie lehnen diese Darstellung ab?

Ich halte schon Ihre Frage für falsch.

Wieso?

Sie sprechen von der westlichen Wahrnehmung. Dabei geht es nur um eine durch den Westen vorgegebene Wahrnehmung. Der Westen nimmt doch nicht nur Sunniten und Schiiten als Gegensätze wahr, sondern auch Deutsche gegen Polen und Frauen gegen Männer. Alles muss gespalten und geteilt werden. Nur so hält man die Leute davon ab, darüber nachzudenken, warum das Geld in dieser Welt so extrem unterschiedlich verteilt ist: Ein Wirtschaftssystem, das Reiche reicher und Arme ärmer macht, ist ein Verbrechen. Aber selbst so eine linke Zeitung wie die taz greift nicht das System an – sondern meint, man braucht nur ein paar Steuern hier, ein paar Steuern da, dann haut das schon hin. Aber das ist falsch. Es haut nicht hin. Der Kapitalismus zerstört die Erde.

Und der Islam wäre eine antikapitalistische Bewegung?

Der Islam ist noch in der Lage, ideologisch dagegenzuhalten. Deswegen versucht man dann eben, die Muslime zu spalten.

Aber wer sollte denn ein geheimes Divide-et-impera-Programm implementieren?

Es gibt nicht den großen Verschwörer, der etwas anordnet, und dann folgen ihm alle. Der Kapitalismus selbst ist aber die größte Verschwörung der Menschheitsgeschichte. Das Teile und Herrsche folgt aus dem Wunsch aller in einem materialistischen Menschenbild verankerter Menschen: Alle wollen reich werden. Auch die Verhungernden denken nicht anders.

Und warum gelingt das nicht?

Schauen Sie sich doch einfach mal die Nachrichten im Fernsehen an: Jeden Tag sterben etwa 20.000 Menschen infolge von Hunger. Warum beginnt eigentlich nicht jeden Tag, 365 Tage im Jahr jede Nachrichtensendung mit diesen 20.000 Toten? Was glauben Sie, was passieren würde, wenn man das nur eine Woche lang machen würde? Meinen Sie nicht, die Menschen fingen an, sich zu fragen: Warum müssen eigentlich jeden Tag so viele Leute sterben? Aber diese 20.000, die da sterben, die hören wir nicht. Die sind einfach nur weg.

Aber wäre das in der muslimischen Wahrnehmung anders?

Kein Stück! Die meisten muslimischen Staaten sind ja eh Diktaturen übelster Art. Aber die Islamische Republik Iran hat mit der Verfassung, die nach der Revolution verkündet wurde, einen Antikapitalismus gedanklich aufgebaut.

Die islamische Republik Iran hat vergangenes Jahr 1.000 Menschen hingerichtet. Das ist doch monströs!

Auf jeden Fall. Sie müssen da auch ein bisschen differenzieren: Die Leute hier sind grundsätzlich gegen Hinrichtungen – und insofern ist schon eine Hinrichtung zu viel.

Ja. Mir auch.

Ich bin kein Gegner der Todesstrafe. Aber diese Zahl, die Sie nennen, ist schlimm, und ich kritisiere das und arbeite mit Menschen zusammen im Iran, die versuchen, das anders zu gestalten. Aber für mich ist die iranische Regierung irrelevant. Ich bin Deutscher. Um die iranische Regierung müssen sich die Leute dort kümmern.

Das wäre die beste Lösung.

Der Islam sagt, dass jedes Volk selbst entscheiden muss, wie es regiert wird. Wir können das hier in Deutschland halbwegs. Andere haben die Möglichkeit nicht, weder die Marokkaner noch die Menschen in Saudi-Arabien. Dennoch weigern wir uns zu sagen, dass Saudi-Arabien eine Diktatur sei.

Ach was. Das weiß doch jeder, dass Saudi-Arabien eine Diktatur ist. Wer weigert sich denn, das zu sagen?

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, weigert sich, das zu sagen. Der sagt, das sei eine Monarchie.

Aber der ist ja erkennbar völlig unseriös.

Ja, jetzt lachen wir darüber – aber ich meine, das geht doch nicht: Das ist die purste Diktatur, die man sich nur vorstellen kann, eine Erbdiktatur. Die sind aber unsere engsten Verbündeten in der Region, nach Israel. Und da, denke ich, läuft doch etwas schief.

War das der Grund für Sie, Medien selber zu betreiben – eine Gegenöffentlichkeit?

Nein, die Idee war ursprünglich eine ganz andere, das ist aber völlig nach hinten losgegangen.

Was war die Idee?

Viele Muslime geraten mit dieser Gesellschaft in Konflikt, weil sie bestimmte Spielregeln nicht einhalten.

Welche?

Ein Beispiel: Muslimische Mädchen werden nicht zum Schwimmunterricht geschickt, so ab 13 Jahren. Man hält sie einfach zu Hause, ohne Brief, gar nichts – paar Wochen später gibt es Briefe von der Schule. Darauf wird nicht reagiert. Und dann kommt das Jugendamt und der Ärger ist perfekt. Da haben wir dann gesagt: Nein, so geht das nicht. Ihr könnt nicht einfach eure Kinder da nicht hinschicken. Ihr müsst einen Antrag stellen, um das Kind davon zu befreien. Ihr könnt bei medizinischen Gründen ein Attest vorlegen, bei religiösen gibt es eine andere Bescheinigung. Es gab sogar Gerichtsurteile damals, die wir gezeigt haben. Und was geschah dann?

Dann ist Ihnen vorgeworfen worden, eine Parallelgesellschaft zu bauen?

Genau. So war es. Wir würden die Integration verhindern – indem wir den Leuten beibringen, wie sie sich an die Gesetze halten!

Klingt verrückt.

Es war nicht das einzige Beispiel: Wir wollten auch ein Verzeichnis von Firmen aufbauen, die bestimmte muslimische Dienstleistungen anbieten. Einfaches Beispiel: Wenn eine Muslima zum Frisör will, braucht sie eine Frisörin, die ihr in einem abgeschlossenen, von außen nicht einsehbaren Raum die Haare schneidet. Die Salons, die das erfüllen konnten, haben wir gelistet. Kam wieder der gleiche Vorwurf.

Die Angst kann also im Grunde überall andocken und mit Zuschreibungen jeder Art arbeiten?

Jetzt zuletzt in Köln, mit diesen Grabschern, da wurde auch ständig behauptet, das habe mit dem Islam zu tun. Dabei: Wo erlaubt denn der Islam, dass man eine fremde Frau überhaupt nur berührt? Wo erlaubt er, sich zu besaufen oder zu stehlen? Welcher Moslem darf vergewaltigen? Trotzdem wird behauptet, diese Ereignisse hätten mit dem Islam zu tun. Das ist doch ein Widerspruch!

Allerdings.

Dass das mit einer bestimmten sozialen Schicht aus bestimmten Ländern zu tun hat, dass bestimmte Männer nicht nur die Gesetze hier, sondern alle Gesetze mit Füßen treten – darüber kann man doch sachlich reden. Man kann auch darüber reden, dass in muslimischen Ländern, in diesen Diktaturen, eine grundsätzliche Unterdrückung herrscht, die sich im Patriarchat widerspiegelt und Frauen und Kinder am meisten benachteiligt. Aber wenn sie kommen und sagen: Das hat alles mit dem Islam zu tun, dann blockiert das nur. Das weckt bei mir höchstens das Gefühl, dass mein Gegenüber nicht aufrichtig ist.

Ich frage mich, ob sich der Islam für Angstpropaganda anbietet, weil die Ängste vor ihm schon so lange kultiviert werden.

Ich denke, was den Islam attraktiv für die Angstverbreiter macht, ist nicht der Islam. Das sind die Muslime.

Inwiefern?

Die ersten Muslime, die hierher kamen, das waren in den 1960er-Jahren keine Gelehrten oder Akademiker, die den Islam hätten vorstellen können. Das waren einfache Leute, die sollten in die Kohlegruben. Da ging’s um die Muskeln, nicht ums Hirn. Die haben Kinder erzogen. Und wir wissen: In Deutschland hängt leider der Bildungserfolg von der sozialen Herkunft ab. Also waren auch die Kinder dieser Einwanderer keine Studenten. Wir sind inzwischen in der vierten Generation – und jetzt, so langsam, beginnt es, dass wir auch mal Studentinnen haben, Ärzte und Lehrer. Bloß wir sind noch geprägt von Leuten, die den Islam vorgestellt haben – ohne ihn zu kennen. Der Islam, wie er in Deutschland wahrnehmbar ist, ist nebulös. In so einer Atmosphäre lässt sich Angst gut verbreiten.

Zumal es auch immer wieder Suren gibt, die beängstigend klingen?

Wenn Sie diese Suren nehmen, oder besser gesagt diese Abschnitte einzelner Verse, die immer und immer wieder zitiert werden, und sie im Zusammenhang lesen, werden Sie feststellen: So gefährlich klingen die gar nicht. Aber die paar deutschsprachigen Islamkundigen, die Ihnen das erklären könnten, werden garantiert nicht in Talkshows eingeladen. Da holt man sich lieber jemanden, der so ein bisschen Angst macht, sieht auch ein bisschen zum Fürchten aus, mit langem Bart und läuft mit etwas rum, was der normale Deutsche als Pyjama interpretiert – da denkt sich der Deutsche doch: Ne, also so will ich nicht rumlaufen müssen, nachher kommen die an die Macht, dann islamisieren die uns, und es wird alles ganz schlimm! Ehrlich, die machen auch mir Angst. Dennoch glaube ich aber an ein versöhnliches Miteinander, wenn der Wille da ist.

Mehr zur Frage: „Wer hat Angst vor dem Islam?“ lesen Sie in der Norddeutschland-Ausgabe der taz.am wochenende

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.