Woke Männlichkeiten: Rumgegockel in pinker Verpackung

Manche Männer sinnieren über ihre Männlichkeit und versuchen, damit bei Feministinnen zu landen. Konsequenzen für ihr eigenes Handeln hat das selten.

Lachender junger Mann trägt Anzug mit lässig geknoteter Krawatte und eine pinkfarbige Herzchenbrille

Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre analysierte schon Ulrich Beck Foto: Tono Balaguer/imago

Im Rahmen von kritischer Männlichkeit versuchen hetero Jungs mit Erzählungen vom eigenen übergriffigen Verhalten nicht nur Bücher zu verkaufen, sondern auch Frauen ins Bett zu kriegen. Das dürfte kaum verwundern, denn im weißen kapitalistischen Patriarchat wird Erfolg schließlich nicht nur in Geld und Ruhm gemessen, sondern auch in Sex. Und wenn man sich schon die Mühe macht, sich mit den eigenen Privilegien auseinanderzusetzen, Rollenmuster zu hinterfragen und generell profeministisch unterwegs zu sein, muss sich das ja auch rentieren.

In Hamburg oder Leipzig, auf einer Picknickdecke im Görli, in dieser Prenzelberger Sauerteigpizzeria oder am Dorfplatz: Überall da, wo linke Großstadt-Heten zusammenkommen, um rauszufinden, ob sie sexuell oder gar romantisch kompatibel sind, versuchen Männer bei Feministinnen zu landen, indem sie ungefragt über ihre Männlichkeit sinnieren und erzählen, wie es so läuft mit der Reflexion. Dabei reproduzieren sie weiterhin sexistische Muster.

Es ist das alte Rumgegockel in hipper pinker Verpackung. Statt einfach mit dem Body-Count anzugeben, wird erzählt, wie viele erfüllende intime Begegnungen man schon mit schlauen starken Frauen hatte. Darunter sogar – quasi als Referenz für die eigene Fortschrittlichkeit – die bekannten Feministinnen A und B.

Sexistische Tropen verschwinden nicht: Sie werden einfach dem oberflächlich antisexistischen Weltbild angepasst. Die Erzählung vom Crazy Ex-Girlfriend bleibt, wird jedoch umformuliert zur Geschichte von der Frau, mit der man mal was hatte und die kompliziert und sehr sensibel war. Die hat dann etwas missverstanden und als übergriffig gewertet und man ist ja normalerweise total für die Definitionsmacht, aber das war wirklich drüber. Man respektiert jetzt trotzdem ihre Grenze und geht nicht mehr in ihre Stammkneipe oder ist aus der gemeinsamen Politgruppe raus, aber eigentlich ist das unfair, weil da war ja nichts. Aber schau, ich wehre mich nicht dagegen. So ein guter Feminist bin ich. Nimm mich!

Man lästert über sexistisches Fehlverhalten und das Dating Life anderer Männer, ohne selbst etwas besser zu machen. Eigene Übergriffigkeit existiert höchstens als Ausrutscher in der Vergangenheit und wird zur Selbstreflexions-Anekdote ohne Konsequenz. Denn außer Nachdenken werden keine Vorkehrungen genannt, um Wiederholung auszuschließen.

Missbrauch findet nicht nur in monogamen Paarbeziehungen und unter dem Dach des Ehegattensplittings statt: In Situationships, offenen Beziehungen und Poly-Geflechten werden allzu oft Frauen in Konkurrenz zueinander gesetzt. Auch in progressiven Beziehungsformen kommt es zu Missbrauch, psychischer und sexualisierter Gewalt. Das nicht nur anzuerkennen, sondern mit allen Mitteln dagegen anzuarbeiten und dabei den betroffenen Raum für Heilung, Widerstand und Lebensfreude zu lassen, das muss die Aufgabe kritischer Männlichkeit sein.

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Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.

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