ZDF-Film über Christen in Jerusalem: Irdisch, menschlich, kindlich

Beten und manchmal prügeln: Die Doku "Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen" (0.45 Uhr, ZDF) zeigt den Mikrokosmos der Jerusalemer Grabeskirche.

Ein Haus für alle: Die Konfessionen müssen sich die Grabeskirche teilen. Hier beten orthodoxe Christen. Bild: dpa

In der Jerusalemer Grabeskirche machen sich sechs christliche Konfessionen ihren Reim auf den lieben Gott und seinen Sohn. Wenn eine Dokumentation wie "Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen" eine Woche vor Weihnachten ausgestrahlt wird, könnte man annehmen, dass darin gezeigt wird, wie die Christen dort irgendwie einträchtig, friedfertig, multikulti-mäßig zusammenleben.

Zumal dann, wenn die Kamera läuft. Schließlich beten sie doch alle denselben Gott an, alle auf ihre Art. Aber eben auch an ein und demselben Ort, und der ist klein. Ein Mikrokosmos. Eine Wohngemeinschaft.

Am Anfang des Films führt eine sehr junge Soldatin der israelischen Armee eine Gruppe sehr junger Rekrutinnen zur Kirche. Sie erklärt: "Also, passt auf: Wir sind wirklich am heiligsten Ort der gesamten christlichen Welt. Es gibt viele christliche Gemeinschaften. Wusstet ihr, dass es äthiopische Christen gibt? Oder ägyptische Christen? Oder syrische Christen? Also, wir werden gleich total coole Christen sehen." Aber vorher: "Die Waffen denen geben, die draußen bleiben, o.k.? Einen heiligen Ort muss man respektieren."

Mit dem Respekt ist das so eine Sache, vor allem wenn man so viel Kraft und Mühe darauf verwenden muss, ihn einzufordern. Die total coolen Christen in der Grabeskirche sind griechisch-orthodoxe Christen, römisch-lateinische Franziskaner, syrische Christen, armenische Christen, äthiopische Abessinier und ägyptische Kopten.

Was sie neben ihrer zeitintensiven religiösen Folklore umtreibt, bringt der armenische Priester Samuel Aghoyan verblüffend undiplomatisch auf den Punkt: "Bis heute ist es noch im Kopf der Menschen: Wie kann ich die anderen loswerden? Wie schmeiß ich sie aus der Grabeskirche raus?"

Katholisches Brauchtum vs. koptische Liturgie

Pater Robert Jauch ist ein leutseliger Rheinländer, er nimmt durchaus mit Bedauern zur Kenntnis, dass das katholische Brauchtum die Liturgie der Kopten erheblich stört: "Aber Orgelmusik ist halt was Wunderschönes. Und wenn hier die volle Orgel ertönt, dann ist es nochmal schöner, katholisch zu sein."

Außerdem: "Eins ist klar: Christus wollte keine 300 verschiedenen Kirchen, sondern er wollte eine Kirche haben. Und diese Einheit ist in der katholischen Kirche verwirklicht."

Weil das die anderen aber partout nicht einsehen wollen, herrscht stets Streit - meist latent, er kann aber auch schon mal handgreiflich werden. Etwa wenn die Armenier meinen, einen griechischen Mönch aus der Kirche schmeißen zu müssen.

Protagonisten nicht vorgeführt

Weil das schon immer so war, wachen seit dem 7. Jahrhundert zwei muslimische Familien über die Grabeskirche. "Wir sind unparteiisch", sagt der "Türwächter" Wajeeh Nusseibeh, der sich allerdings mit dem "Schlüsselverwahrer" Abdilkadr Joudeh von der anderen Familie herzlich uneinig ist in der Frage, welche der Familien zuerst da war. Doch zumindest das, so macht der Film klar, kann Joudeh für sich verbuchen.

"Im Haus meines Vaters …" war 2010 der erste abendfüllende Film des gelernten Kameramannes Hajo Schomerus. Der Film sieht auch beeindruckend aus - das Menschen- und Kerzenmeer während des Osterfestes -, der Film lief im Kino, Schomerus hat damit gleich den "Preis der deutschen Filmkritik" gewonnen.

Auch wenn die oben zitierten Aussagen der Geistlichen einen anderen Eindruck erwecken mögen, führt Schomerus seine Protagonisten nicht vor. Er zeigt vielmehr, dass der Glaube eine höchst irdische, zutiefst menschliche und gelegentlich sehr kindische Angelegenheit ist.

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