Zukunft der Asse: Die Angst vor der großen Flut

Atomkraftkritiker werfen dem Betreiber des Atommülllagers vor, die Flutung des Bergwerks vorzubereiten. Das zuständige Bundesamt für Strahlenschutz will davon nichts wissen.

Atommülllager Asse 2: Der atomkraftkritische Asse II-Koordinationskreis befürchtet die Flutung solcher Hallen. Bild: dapd

HANNOVEr taz | Während Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) bei seinem für Freitag angekündigten Besuch des maroden Bergwerks Asse auch Möglichkeiten zur Beschleunigung der Räumung eruieren will, ziehen Umweltschützer in Zweifel, dass Bund und Land es mit der Bergung der radioaktiven Abfälle überhaupt ernst meinen. „Wichtig ist nicht, was gesagt wird, sondern was unter Tage passiert“, sagte am Mittwoch Andreas Riekeberg vom atomkraftkritischen Asse II-Koordinationskreis. Dort, unter Tage, bereite das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) mit seinen Notfallmaßnahmen nämlich die Flutung des Atommülllagers vor.

Sollte das Bergwerk aber geflutet werden, sei eine Rückholung der Abfälle nicht mehr möglich. Stattdessen werde es unweigerlich zu einer Freisetzung radioaktiver Stoffe an die Biosphäre kommen – „in unbekannten Zeiträumen, an unbekannten Orten in Norddeutschland, in unbekanntem Ausmaß“.

Die Notfallmaßnahmen des BfS sollen zur Stabilisierung des Bergwerks im Fall massiver Wassereinbrüche dienen. Die ähnelten über weite Strecken dem alten Flutungsplan des früheren Betreibers, sagt Frank Hoffmann vom Koordinationskreis. Dies gehe aus einem Vergleich beider Konzepte hervor. Hoffmann hält die Gemeinsamkeiten für so groß, „dass man kaum von Zufällen sprechen kann“.

In das ehemalige Salzbergwerk Asse wurden zwischen 1967 und 1978 rund 126.000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll gebracht. Ein Teil der Behälter ist wahrscheinlich korrodiert oder sogar ganz zerstört. In den Stollenkammern lagern zudem chemische Abfälle.

Betrieben wird die Asse seit 2009 vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), das Bergwerk untersteht dem Atomrecht. Ein Vergleich verschiedener Schließungsvarianten ergab, dass eine Sicherheit auf lange Sicht nur durch die Rückholung der Abfälle zu gewährleisten ist.

Der Beginn der Bergung hat sich immer weiter verzögert: Bislang haben noch nicht einmal Probebohrungen in eine erste Kammer begonnen. Nach einem aktuellen Zeitplan kann die Räumung nicht vor dem Jahr 2036 beginnen.

„Seit 2009 verspricht der Bund mit wachsender Intensität und ständig wechselndem Personal, Konsequenzen aus dem Debakel Asse zu ziehen und den Müll, der dort nie hätte wieder gelagert werden dürfen, wieder herauszuholen“, beklagte Riekeberg. Doch während die Bergung nicht in Gang komme, werde die Flutung vorbereitet.

Die im Koordinationskreis zusammengeschlossenen Initiativen und Gruppen hätten „kein Vertrauen, dass nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt jemand den Notfall ausruft und mit der Flutung beginnt“. Bis zum Jahr 2036 – dem zuletzt genannten Termin für den Beginn der Rückholung – seien es ja noch 24 Jahre, in denen jederzeit geflutet werden könne.

Die Notfall-Konzepte beinhalteten jeweils als wesentliches Element die Einleitung von mehreren hunderttausend Kubikmetern Magnesiumchlorid-Lauge in die Bereiche unterhalb von 700 Metern Tiefe. Dort liegen zwölf Kammern mit radioaktiven Abfällen. Während der ehemalige Betreiber GSF geplant hatte, auch die restlichen 900.000 Kubikmeter Hohlraum des Bergwerks mit Lauge zu fluten, wolle das BfS diesen Teil mit dem unkontrolliert zutretenden Wasser volllaufen lassen, sagte Hoffmann.

Auch andere Maßnahmen wie das Einbringen von Sorelbeton – - ein spezieller Bergbaubeton, der aus Magnesiumoxid, Magnesiumchloridlösung und Steinsalz besteht – in noch unverfüllte Hohlräume oder das Verschließen des Schachtes ähnelten sich oder seien identisch. „Es gibt Unterschiede in der Begründung der Maßnahmen, aber nicht in ihrem Effekt für das Bergwerk und die Abfälle“, sagte Hoffmann. Der Geologe Ralf Krupp ergänzte, das BfS habe „alle Komponenten übernommen, aber zum Teil anders bezeichnet“.

Das BfS müsse umgehend andere Konzepte für den Fall unkontrollierbarer Lösungszutritte entwickeln und „mit Hochdruck“ an der Rückholung der radioaktiven Abfälle arbeiten, verlangt der Koordinationskreis. So könnte die Pumpenleistung auf mehrere tausend Kubikmeter täglich erhöht werden, wie dies in anderen Bergwerken auch geschehe. Die radioaktiven Abfälle müssten auch bei starken Wassereinbrüchen trocken gehalten werden. Derzeit laufen täglich rund 12 Kubikmeter Lösung in das Bergwerk. Eine Wassermenge von bis zu 500 Kubikmetern pro Tag gilt beim BfS bei der derzeit installierten Pumpenkapazität als grade noch zu handeln.

Das Bundesamt verwahrte sich am Mittwoch dagegen, dass die Flutung der Asse vorbereitet werde. Vielmehr setze die Behörde alle Kraft daran, das Atommülllager so schnell wie möglich sicher stillzulegen, sagte Sprecher Werner Nording auf Anfrage. „Damit wir überhaupt sicher in der Asse arbeiten können, müssen wir das Grubengebäude durch die sogenannten Vorsorgemaßnahmen zuvor stabilisieren.“

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