Fleisch ist ein Stück Glaubensfrage

ISLAM Zum Opferfest müssen Muslime ein Schaf schlachten. Nach islamischem Brauch darf das Tier nicht betäubt werden – was aber vom Gesetz gefordert wird. Private Schlachtungen sind wohl weiter Praxis

■ Das Opferfest – Kurban Bayram auf Türkisch oder Eid ul-Adha auf Arabisch – erinnert an die Geschichte von Abraham, der seinen eigenen Sohn Gott opfern sollte. Eine Geschichte also, die Juden, Christen und Muslime miteinander teilen. Während im Alten Testament Isaak geopfert werden soll, ist es im Islam Isaaks Bruder Ismael, von dem der Legende nach alle Araber abstammen. Zum Opferfest muss ein Lamm dran glauben – in Erinnerung an den Hammel, den Abraham dann statt seines Sohnes schlachtete.

Schafe haben gerade keine gute Zeit. Zum islamischen Opferfest, das gestern begonnen hat und am Sonntag endet, muss jeder Muslim ein Schaf schlachten oder schlachten lassen, so ist es Brauch. Und die religiösen Autoritäten sind besonders streng, was die korrekte Art der Schlachtung – des Schächtens – angeht: „Während des Jahres befürworten wir eine Betäubung der Tiere“, sagt der Islamgelehrte Sheyh Ramazan Ucar, der das Europäische Halal Zertifizierungsinstitut EHZ in Hamburg berät. Beim Opferfest aber seien die Tiere Gott geweiht. „Sie müssen bei der Schlachtung absolut unversehrt, also auch unbetäubt sein.“

Bei einer Viertelmillion Muslime kommen in Berlin einige Opfertiere zusammen – die Statistik aber weist seit Jahren keine Schlachtungen aus. Wo sie zum Opferfest schlachten lassen, wollten mehrere muslimische Fleischer auf Nachfrage nicht sagen. Auch nicht Mustafa M., der einen Laden in der Sonnenallee führt. Aber er habe rund 70 Bestellungen bekommen, sagt er.

Über das betäubungslose Schächten wird in Deutschland seit Jahren gestritten. Das Tierschutzgesetz legt die Betäubung eindeutig fest. Christine Walther vom Berliner Veterinäramt verteidigt das: „Ein Kehlschnitt ohne Betäubung bereitet dem Tier übermäßige Qualen.“ Außerdem müsse das Tier zum Schächten auf den Rücken gedreht werden. „Rinder geraten dadurch in Panik.“ Allerdings urteilte das Bundesverfassungsgericht 2002, dass Ausnahmegenehmigungen möglich seien – auch um illegale Hausschlachtungen zu vermeiden, so die Begründung.

In der Praxis werde aber weiter privat geschlachtet, sagt der Neuköllner Fleischermeister Markus Benser. Ausnahmegenehmigungen seien schwer zu bekommen. Geschächtetes Fleisch werde seines Wissens importiert – oder aber das Schaf wird direkt auf der Brandenburger Weide geschlachtet. Wo das Fleisch im Laden herkomme, sei kaum überschaubar, sagt Veterinärin Christine Walther: „Für Berlin sind täglich Tonnen von Fleisch auf den Straßen Europas unterwegs. Dazu kommen unzählige Tiertransporte.“

Aber was ist überhaupt halal, also rituell rein? Theologisch ist das nicht so leicht zu beantworten. Das Verbot von Alkohol und Schweinefleisch sei klar, so Yusuf Calkara vom EHZ. Aber die Betäubung verbiete der Koran grundsätzlich nicht. Die Richtlinien seines Instituts sähen die Betäubung jedenfalls vor.

Diese Ansicht wird aber von vielen Muslimen nicht geteilt. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland etwa spricht sich grundsätzlich gegen eine Betäubung aus. Strenggläubige Fleischereikunden gehen jedenfalls immer ein Risiko ein: Entweder ist das Fleisch nicht ganz halal – oder die Schlachtung war nicht ganz legal. BENJAMIN MOSCOVICI

Markus Benser tritt am 26. und 27. Oktober um 20.30 Uhr mit „Abraham und die Metzger“ in der Kreuzberger Markthalle Neun auf. Er diskutiert mit einem jüdischen und einem muslimischen Kollegen über Fleisch und Tradition