WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Volkes Wille wird rechts vollstreckt

Man hat sich gefühlt, als wenn man den Volkswillen exekutiert hätte.“ Der Satz wird einem ausgewiesenem Rechtsextremen zugeschrieben: Patrick Wieschke, Jahrgang 1981, früher Mitglied im Thüringer Heimatschutz, heute Landesvorsitzender der NPD in Thüringen, Ende Mai 2002 wegen eines versuchten Sprengstoffanschlages auf einen türkischen Imbiss zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt. „Der Staat war am Zustrom von Ausländern schuld“, so Wieschke weiter, „da wollte man eben etwas dagegen tun.“

Eben mal etwas dagegen tun: Nachzulesen ist diese selbsternannte Vollstreckerpose bei Olaf Sundermeyer, der für sein jüngst erschienenes Buch „Rechter Terror in Deutschland. Eine Geschichte der Gewalt“ (C. H. Beck, 2012) mit dem Neonazi Wieschke gesprochen hat.

Sundermeyer, ausgewiesener Experte in Fragen des rechten Extremismus, spannt einen weiten Bogen vom Oktoberfestattentat 1980 in München bis zur im Herbst 2011 aufgeflogenen Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Er warnt eindringlich, die rechte Gefahr aktuell auf Morde und Sprengstoffanschläge zu reduzieren, wie es seit dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie so häufig geschieht. Die vom Zwickauer Trio verübten Verbrechen seien vielmehr „die höchste Eskalationsstufe der alltäglichen rechten Gewalt“. Jeder Schlag gegen einen Linken, jeder Molotowcocktail gegen ein von Migranten bewohntes Haus, jeder Tote auf der langen Liste ihrer Opfer diene dem politischen Ziel der rechten Ultras: Einschüchterung und Beseitigung von Migranten und Andersartigen, die ihrem Ziel eines „völkischen Staates“ im Wege stehen.

Den Rechtsextremismus zu verstehen ist die Voraussetzung zur Eindämmung der Gewalt, die ihm immanent ist, schreibt der Autor. Eigentlich eine Binsenweisheit. Genau wie seine Aussage, dass rechtsextreme Gewalt eine politische Strategie verfolgt, die mit dem Schreien von Parolen einsteigt, dann aber in der letzten Konsequenz auch vor dem Töten nicht Halt macht. Man wünschte sich nur, diese Einsicht hätte beizeiten in den Amtsstuben der deutschen Sicherheitsbehörden Einzug gehalten.

■ Der Autor ist Redakteur der taz Foto: privat