Vertrauensraum der Hardlinerkoalition

BÜRGERRECHTE Von der NSA gelernt? Neu: Vorratsdaten, mehr Verfassungsschutz. Und: Datenschutz im Netz

BERLIN taz | Die Vorratsdatenspeicherung wird zügig kommen. Wenn es um innere Sicherheit geht, graut es vielen Bürgerrechtlern vor der schwarz-roten Koalition der Hardliner. Tatsächlich sieht der Koalitionsvertrag in manchen Punkten mehr Überwachung vor. Die Bundespolizei soll mehr Videoüberwachung betreiben können. „Technische Analysemöglichkeiten des Verfassungsschutzes“ und „Analysefähigkeit der Antiterrordatei“ sollen verbessert werden.

Allerdings gibt es vor dem Hintergrund der NSA-Affäre auch einige Versprechungen im Hinblick auf konkrete Datenschutzmaßnahmen. So heißt es in dem Vertrag, die Koalition setze sich für die „Rückgewinnung technologischer Souveränität“ ein und gestalte „die IT-Infrastruktur Deutschlands und Europas zum Vertrauensraum“. Dazu soll auf europäischer Ebene eine Datenschutzverordnung erwirkt werden, die auch für US-Unternehmen wie Facebook und Google europäische Datenschutzregeln verbindlich machen. Außerdem sollen europäische Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden, ihre Telekommunikationsverbindungen innerhalb Europas zu verschlüsseln und nicht mit ausländischen Nachrichtendiensten zu kooperieren.

Zu einem echten Fortschritt könnte werden, was das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2008 entwickelt hatte: ein „Grundrecht auf Gewährleistung von Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“. Dazu heißt es im Koalitionsvertrag, dieses Grundrecht müsse mit Leben gefüllt werden, „die Nutzung von Methoden zur Anonymisierung, Pseudoanonymisierung und Datensparsamkeit müssen zu verbindlichen Regelwerken werden.“ Kryptografie, zertifizierte E-Mail-Dienste, mehr Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, vertrauenswürdige Netz-Infrastrukturen und „sichere Clouds“ sollen gefördert werden.

Eine Schlüsselrolle und mehr Geld wird das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik erhalten. Die Behörde wurde 1991 gegründet, um die Sicherheit der IT-Infrastruktur in Deutschland zu gewährleisten. Manche bezeichnen sie als „zivilen Verfassungsschutz“, weil sie seinerzeit eine Ausgründung aus den Nachrichtendiensten war und unter anderem mit der NSA kooperiert.

  Gewinner: IT-Wirtschaft, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Bürgerrechtler ■  Verlierer: Bürgerrechtler, Telefonbenutzer, Facebook & Google, Terroristen MARTIN KAUL