Bund will Ausreisende stoppen

FREIHEIT Der Personalausweis von Salafisten soll künftig gekennzeichnet werden können, um ihre Reise nach Syrien und dem Irak zu verhindern

FREIBURG taz | Die Innenminister von Bund und Ländern suchen schon seit Wochen nach Möglichkeiten, die Ausreise von Islamisten in die syrischen und irakischen Kampfgebiete zu stoppen. Auch die Wiedereinreise potenzieller Attentäter soll erschwert werden.

Am wichtigsten ist den Innenministern die Ausreise. Aus Deutschland kommende Islamisten sollen sich nicht dem IS anschließen und im Irak Gräueltaten wie Selbstmordanschläge begehen. Außerdem gilt: Wer erst gar nicht ausreist, kann sich in den Kampfgebieten auch nicht weiter radikalisieren.

Eigentlich ist die Rechtslage scharf. Sogar deutschen Staatsbürgern kann der Reisepass entzogen werden, wenn sie „die innere oder äußere Sicherheit oder sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden“. Das regelt das Passgesetz. Von 2009 bis heute wurden so 30 Islamisten an der Ausreise gehindert, davon 18 deutsche Staatsbürger.

Da aber bereits mehr als 400 Islamisten aus Deutschland in die Kampfgebiete gereist sein sollen, sind die Lücken in der Praxis groß. So hat sich als Problem herausgestellt, dass deutsche Staatsbürger mit ihrem Personalausweis in die Türkei reisen können – und von dort ist der Weg nach Syrien nicht mehr weit. Der Personalausweis kann aber – anders als der Reisepass – nicht entzogen werden, weil der Bürger ja Ausweispapiere braucht.

Zwar können deutsche Behörden jetzt schon anordnen, dass der Personalausweis nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt. Das sieht man dem Ausweis aber nicht an. Es ist gesetzlich nicht vorgesehen, ihn mit entsprechenden Aufklebern zu versehen. 1980 wurde eine entsprechende Möglichkeit ausdrücklich abgeschafft, um die Ausweisinhaber nicht zu stigmatisieren. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe denkt nun aber darüber nach, solche „Sichtvermerke“ wieder einzuführen. Alternativ könnten Betroffene auch mit „Ersatzpapieren“ ausgestattet werden.

Wenn Islamisten, die in Syrien und im Irak gekämpft haben, wieder nach Deutschland einreisen wollen, kommt es auf ihren Status an. Ausländer, die die Sicherheit Deutschlands gefährden, können schon an der Grenze zurückgewiesen werden. Das regeln das Aufenthaltsgesetz und der Schengener Grenzkodex. Von dieser Möglichkeit wurde auch schon hunderte Male Gebrauch gemacht. Diese Möglichkeit besteht bei deutschen Staatsbürgern jedoch nicht. Diesen muss die Einreise gewährt werden. Etwa die Hälfte der ausgereisten Islamisten sind eingebürgerte oder konvertierte Deutsche.

Deshalb gewinnt die Diskussion immer mehr an Raum, ob man Islamisten, die in den Dschihad ziehen, die Staatsbürgerschaft entziehen kann. Verfassungsrechtlich sind die Hürden allerdings hoch. So heißt es im Grundgesetz: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.“ Außerdem könne der Verlust der Staatsangehörigkeit „auf Grund eines Gesetzes“ nur eintreten, wenn der Betoffene nicht gegen seinen Willen staatenlos wird.

Eine praktisch relevante Möglichkeit ist die Rücknahme einer Einbürgerung, wenn sie durch Täuschung erschlichen wurde. Als Täuschung gilt es etwa, wenn sich jemand bei der Einbürgerung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannte, dann aber für den heiligen Krieg wirbt. Eine Rücknahme der Einbürgerung ist allerdings nur binnen fünf Jahren möglich, so das Staatsangehörigkeitsgesetz. Außerdem greift diese Vorschrift nicht, wenn die Radikalisierung erst nach der Einbürgerung erfolgte, denn dann hat der Betroffene die Einbürgerungsbehörde ja nicht über seine Abkehr von der Demokratie getäuscht.

Eine gewisse Rolle spielt in der Diskussion inzwischen auch der Streitkräfteparagraf des Staatsangehörigkeitsrechts. Wenn ein Deutscher ohne Erlaubnis in die Armee eines anderen Staats eintritt, verliert er automatisch seine deutsche Staatsbürgerschaft. Unionsabgeordnete haben vorgeschlagen, dies auf den Beitritt zum „Islamischen Staat“ – der trotz des Namens bisher kein Staat ist – zu erweitern. Aus verfassungsrechtlichen Gründen wäre dies aber nur möglich, wenn der Islamist noch einen anderen Pass hat und dann nicht staatenlos wird.

CHRISTIAN RATH