Selbst Ziercke fahndet nicht ewig

ABSCHIED Der BKA-Chef hat die Zuständigkeiten des Wiesbadener Amtes für Terroraufklärung und -prävention stark ausgebaut. Jetzt ist er 67 Jahre alt und geht in Pension

KARLSRUHE taz | Jörg Ziercke konnte sich zehn Jahre an der Spitze des Bundeskriminalamts (BKA) halten – nicht weil er SPD-Mitglied ist, sondern obwohl er das rote Parteibuch besitzt. Geholt ins Amt hat ihn 2004 zwar Otto Schily (SPD), doch seit 2005 wird das Innenministerium durchgängig von Unions-Ministern (Wolfgang Schäuble, Hans-Peter Friedrich und zweimal Thomas de Maizière) verwaltet. Dass Jörg Ziercke dennoch im Amt blieb, ist wohl Ausdruck fachlichen Respekts – aber auch von inhaltlicher Nähe.

47 Jahre bei der Polizei

Ziercke ist jetzt 67 und war davon 47 Jahre bei der Polizei. Gleich nach dem Abitur meldete er sich als Polizeianwärter. Ab 1979 leitete er die Kripo in Neumünster. Ab 1985 arbeitete er im Kieler Innenministerium, ab 1995 als Leiter der dortigen Polizeiabteilung.

BKA-Präsident wurde Ziercke in einer großen Krise. Schily wollte das BKA nach Berlin holen und den Hauptsitz Wiesbaden aufgeben. Der damalige BKA-Chef Ulrich Kersten hatte zugestimmt.

Das führte zu Aufruhr in der Behörde, Schily musste Kersten entlassen. Am Ende blieb Wiesbaden der Hauptsitz und nur 1.000 der heute 5.500 BKA-Mitarbeiter arbeiten jetzt in Berlin.

Das BKA ist Zentralstelle der Polizei und hat Experten für alle kniffligen technischen Probleme. Es führt Datenspeicher wie die DNA-Analyse-Datei und stellt Personenschutz für Politiker. Eigene Ermittlungen führt es beim Staatsschutz und gegen die organisierte Kriminalität. In Zierckes Amtszeit stand der islamistische Terror im Mittelpunkt. Zwei Wochen nach seinem Amtsantritt explodierten Al-Qaida-Bomben in Madrid.

Gemeinsam mit Innenminister Schäuble setzte Ziercke durch, dass das Bundeskriminalamt nicht nur Terror aufklären darf, sondern auch präventiv für dessen Verhütung zuständig ist. Zu Zeiten fester Gruppen wie der RAF machte das keinen Unterschied. Damit das BKA im Vorfeld auch lose islamistische Netzwerke und Einzeltäter beobachten darf, musste jedoch das Grundgesetz geändert werden, denn eigentlich ist die Gefahrenabwehr Ländersache.

Im Zuge der Reform erhielt das BKA 2008 auch die Befugnis, heimlich Computerfestplatten auszuspähen. Ziercke hatte sich massiv dafür eingesetzt. In der Praxis spielt die Onlinedurchsuchung nun aber fast keine Rolle. Polizeikritiker halten Ziercke seitdem für einen Ideologen ohne Augenmaß.

Der größte Makel in Zierckes Amtszeit: Bei der Aufklärung der Ceska-Morde an neun Migranten versagte auch seine Behörde. Wie die Länderpolizeien gingen Zierckes Fahnder von einem Mafia-Hintergrund aus und erkannten nicht die Handschrift von Neonazi-Terroristen.

Ziercke ist allerdings keineswegs auf dem rechten Auge blind. Es war ihm immer ein Anliegen, die NS-Verstrickung der deutschen Polizei aufzuarbeiten.

Anfang dieses Jahres kam er noch einmal in Bedrängnis, weil seine Behörde erst nach eineinhalb Jahren erkannte, dass der damalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy zu den Käufern kanadischer Fotos von nackten Jungs gehörte. Am Ende setzte sich der Eindruck durch, dass Edathy vom BKA nicht geschützt wurde.

Am morgigen Mittwoch wird Ziercke im Rahmen der BKA-Herbsttagung verabschiedet. Sein Nachfolger wird Holger Münch, bisher Innenstaatsrat in Bremen. Er ist zwar parteilos, gilt aber als SPD-nah.

CHRISTIAN RATH