Die arme, alte Union

WIE BITTE? In der Zeitschrift des „Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU“ wird Homosexualität als „Perversion“ bezeichnet. Eine Replik

VON PAUL WRUSCH

Liebe Union. Ihr habt es schwer. Euer konservativer Markenkern verwässert, ihr bewegt euch immer weiter in die Mitte. Mindestlohn, Rente mit 63, Ende der Wehrpflicht, Atomausstieg. Keine gute Zeit für euch. Und dann hat sich da auch noch ein kleiner Wurmfortsatz rechts von euch gegründet. Ganz erfolgreich sogar. Zu beneiden seid ihr nicht.

Einer der letzten Rückzugsorte für die Konservativsten unter euch ist – neben der Hetze gegen Flüchtlinge – die Gleichstellung von Homosexuellen. Da könnt ihr den Stammtisch noch abholen. Klar. Blöd nur, dass ihr euch nicht öffentlichkeitswirksam homophob äußern könnt, sonst wird das nie wieder was mit den Großstädten. Aber kleine, gefühlsduselige „Keimzelle der Gesellschaft“-Sätze raushauen, das geht schon.

Heilungschancen

Wirklich sicher fühlt ihr euch nur, wenn ihr euch unter Euresgleichen wähnt. Wie etwa in der Mitgliederzeitschrift des „Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU“ (EAK). „Evangelische Verantwortung“ heißt die. Wie passend. Denn überaus verantwortungsbewusst gehen zwei Autoren in der aktuellen Ausgabe mit Homosexuellen um. Im Beitrag „Heute noch von der Schöpfungsgeschichte reden? Zur kirchlichen Debatte um Ehe und Familie“ zitieren Hans-Martin Weiss und Werner Thiede ausführlich etwa den Theologen Helmut Thielicke. Homosexuelle seien nicht harmonisch in die Schöpfungsgeschichte eingebettet, schrieb der 1965. „Alle Chancen auf Heilung“ seien zu nutzen. „Wobei Thielicke weniger von ‚Krankheit‘ als von ‚Perversion‘ […] sprechen möchte“. Wirklich nachsichtig von ihm. Und von euch, dass ihr das klarstellt.

Auch die kruden Thesen des Theologen Wolfgang Trillhas werden von euren Autoren genüsslich wiedergegeben. Laut Trillhas lasse sich „bei der Homosexualität der Begriff der Widernatürlichkeit, der Abartigkeit nicht gut vermeiden“. Blöd.

Lieber Arbeitskreis der Evangelischen in der Union, jetzt fühlt ihr euch sicher ungerecht behandelt. Ihr findet Homosexuelle bestimmt gar nicht pervers und abartig. Ihr habt ja nur zitiert von Theologen, die in den 1960er Jahren wirkten. Schon klar. Einordnen, kommentieren, zurückweisen? Wieso das denn! Waren doch schlaue Männer, die das damals geschrieben haben. Und was damals galt, kann heute nicht falsch sein. Göttlicher Wille bleibt göttlicher Wille. Oder so ähnlich.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck ist dennoch empört. „Wer Homosexualität als Abartigkeit bezeichnet, verlässt damit den Boden demokratischer Auseinandersetzung.“ Der EAK lasse ein menschenfeindliches Klima zu, das er sonst nur aus Reden islamischer Hassprediger oder einiger rechtsextremer Volksverhetzer kenne, so Beck. Immer diese Nörgler.

Und ihr, lieber EAK? Weist die Kritik natürlich mit „Verwunderung, Unverständnis und einiger Befremdung“ zurück, wie euer Geschäftsführer Christian Meißner uns wissen lässt. Ihr wolltet euch doch nur mit dem „äußerst umstrittenen EKD-Familienpapier“ auseinandersetzen, das das „traditionelle Leitbild der Ehe von Mann und Frau“ relativiere. Und um das allumfänglich zu tun, musstet ihr eben alle „bedeutsamen Ethiken des jüngeren Protestantismus seit 1945“ referieren. Auch die absurden, auch die menschenfeindlichsten und homophoben. Quasi als Service. Ach so ist das. Na dann: Vergelt’s Gott.