Punkrock und mehr

■ Keine Resignation: Die Goldenen Zitronen im Hafenklang

Man möchte es eigentlich nicht ernsthaft ankündigen. Denn das Hafenklang ist kapazitätsmäßig ein eher überschaubares Etablissement, und die dort am Freitag aufspielende Band geradezu eine, tja, Legende. Anfangs, Mitte der 80er, waren Die Goldenen Zitronen Exponenten eines insbesondere in den oberen Etagen der bundesdeutschen Plattenindustrie gern gesehenen Trends namens Fun-Punk – seitens der Industrie, so erinnerte sich Zitronen-Gitarrist Ted Gaier vor einigen Jahren einmal, habe es ein großes Interesse gegeben, Nachfolgeprodukte für die kurzfristig aufgelösten Ärzte zu finden. Damals bespielte man schleswig-holsteinische Jugendzentren mit Rock'n'Roll-infiziertem Gedängel und merkwürdigen Texten.

Während andere Bands aus ähnlichen Ausgangspositionen inzwischen längst als Sozialdemokraten, Nazis oder schweinöser Hardrock geendet sind, hießen die Stationen der Goldenen Zitronen Hafenstraße, Butt Klub und Wohlfahrtsausschuss. Zwischen Theorie und Praxis, antirassistischer Pop-Agitation und Häuserkampf, angesichts neudeutschen Großmachtstrebens und innerstädtischer Gentrification, stellten die wechselnden Besetzungen der Band sowie befreundetes/verbündetes Umfeld wiederholt klar, dass ihr Verständnis von „Punkrock“ – so der Titel ihres von Garagen-Legende Wild Billy Childish produzierten Quasi-Comeback-Albums von 1990 – nicht so sehr mit bunten Haaren zu tun hatte als vielmehr mit explizit linksradikaler Positionierung. Was bei ihnen aber nie in solch feste musikalische Formen mündete, wie es die Plattenschränke mancher Autonomen nahelegen könnten.

Jetzt stellt die Band ihr jüngstes Album Schafott zum Fahrstuhl schon mal live vor, ehe es Anfang September veröffentlicht wird. Und soviel sei bereits verraten: Einmal mehr zeigt sich die – leicht umbesetzte – Band als flexibles System von Anknüpfpunkten und Schnittstellen für Vernetzung, Bündnisbildung und Überarbeitung. Neben einem Schwung neuer Stücke zwischen New- und No Wave, enervierender 80er-Elektronik und jaulenden 60er-Gitarren, Neue-Mitte-Verspottung und erns-tem Anliegen finden sich auch drei Coverversionen: F.S.K.s „Blue Yodel für Herbert Wehner“, „Monster beherrschen dieses Planet“, das Sänger Schorsch Kamerun zunächst im Rahmen seiner Sylvesterboy-Performances zum Besten gab; und aus den alten DGZ-Ironie-Schmeichelzeilen „Alles was ich will/ist nur die Regierung stürzen“ ist „Von den Schwierigkeiten, die Regierung stürzen zu wollen“ geworden. Von Resignation freilich ist da auch im viel zitierten neuen Jahrtausend keine Spur.

Alexander Diehl

 Sonnabend, 21 Uhr, Hafenklang