WDR schlägt Funken

Schwarz- statt Rotfunk? „Politischer Druck“ oder „Lügenkampagne“? SPD und CDU streiten um WDR-Beitrag, der angeblich auf Bitten von CDU-Staatssekretär Baganz aus dem Internet gelöscht wurde

VON MARTIN TEIGELER

CDU und SPD zanken erbittert um einen WDR-Radiobericht. Nachdem NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek der CDU vorgeworfen hatte, den Kölner Sender politisch unter Druck zu setzen, spricht CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst nun von einer „Lügenkampagne“. Der grüne Landtagsabgeordnete Oliver Keymis will die „nicht nachvollziehbare“ Angelegenheit jetzt im WDR-Rundfunkrat ansprechen.

Hintergrund des Streits: Unter dem Titel „Mülheim oder: Das große Schweigen“ hatte der freie Journalist und Korruptionsexperte Werner Rügemer im März über Privatisierungsgeschäfte in der Amtszeit des früheren Mülheimer CDU-Oberbürgermeisters Jens Baganz berichtet. Baganz trat 2002 als OB zurück – offiziell „aus privaten Gründen“. Doch die Gründe waren laut Beobachtern nur zum Teil privat: Baganz lebte mit einer Vergaberechtsexpertin zusammen, die die Stadt Mülheim für ein angeblich sechsstelliges Honorar bei den entscheidenden Privatisierungen beraten hatte. Juristische Ermittlungen blieben zwar aus – das Wort „Baganzgate“ war dennoch in der Welt.

„Auf Betreiben des jetzigen Wirtschaftsstaatsekretärs Baganz“ sei der kritische Radiobericht aus dem Onlinearchiv des WDR gelöscht worden, so der Vorwurf von SPD-Generalsekretär Groschek. „Offensichtlich verlangt die CDU in NRW vom WDR eine untertänige Hofberichterstattung“, sagte der SPD-Parteimanager. Nicht mal die CSU verwechsele den bayerischen Rundfunk mit dem Bayernkurier. CDU-General Wüst konterte, die SPD-Vorwürfe seien „völlig haltlos“. Für die CDU sei „die Pressefreiheit ein ebenso hohes Gut wie eine faire und sachlich korrekte Berichterstattung der Medien“.

In einem der taz vorliegenden Brief an WDR-Intendant Fritz Pleitgen bat Baganz im Juni um die Entfernung des seiner Meinung nach fehlerhaften Beitrags aus dem WDR-Internetangebot. Der Briefes endet mit dem Satz: „Den Inhalt dieses Schreibens habe ich mit meinem Kollegen, Herrn Staatssekretär Kemper, abgestimmt, der mich zu diesem Brief ermuntert hat.“ Nachdem die Welt Kompakt über den Vorgang berichtet hatte, verteidigte sich gestern der scheidende Regierungssprecher und Medienstaatssekretär Thomas Kemper. Baganz habe ihm „überzeugend dargelegt“, dass der WDR-Beitrag „tatsachenwidrige Behauptungen“ enthalte. Vor diesem Hintergrund habe er Baganz tatsächlich empfohlen, sich an den Westdeutschen Rundfunk zu wenden.

WDR-Hörfunkdirektorin Monika Piel bestätigte gestern noch einmal das Löschen des Features vor einigen Tagen. Die „Maßnahme“ sei jedoch „unabhängig“ von dem Baganz-Schreiben an Pleitgen erfolgt. Nach der Ausstrahlung habe sich zunächst Mülheims SPD-Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld über den Bericht beschwert, so Piel. Deshalb habe man den Beitrag noch einmal genau überprüft. „Dabei stellte sich heraus, das zumindest einige Behauptungen des im übrigen sehr gut recherchierten Beitrags nicht mit der notwendigen journalistischen Sorgfalt recherchiert worden waren.“ Der WDR stehe zu dem Beitrag, sagte eine Sprecherin des Senders. Im übrigen würden Beiträge aus dem Onlinearchiv ohnehin nach einigen Monaten gelöscht.

Der verantwortliche Autor Werner Rügemer sagte gestern auf Anfrage, dass bei der Erstausstrahlung des Features die Höhe von Mühlenfelds RWE-Aufsichtsratsvergütung falsch angebeben worden sei. Dies sei auch nachträglich im Manuskript korrigiert worden. Weitere Faktenfehler habe es nicht gegeben, so Rügemer. Das Verhalten des WDR findet er deshalb „ungerechtfertigt und unverständlich“.

WDR-Direktorin Piel wirft SPDler Groschek nun in einem Brief vor, den Vorgang „parteipolitisch nutzen“ zu wollen. „Damit haben wir im WDR Erfahrung – jahrzehntelang sind wir von der damaligen Opposition als ‚Rotfunk‘ eingeordnet worden.“