der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… schlägt zurück. Nachdem ihm im vergangenen Jahr der Sieg beim Eurovision Song Contest von einer Horde finnischer Heteros geklaut wurde, gehen in diesem Jahr so viele Schwule und Dragqueens – von Tunte oder Transe zu sprechen ist derzeit nicht aktuell – ins Rennen wie noch nie. Schon der Vorentscheid in Schweden präsentierte sich als eine einzige Werkschau hipper Homoletten, und mit Ola Salo und seiner Glamrock-Band „The Ark“ siegte ein junger Mann mit einem dezenten Hang zu unspektakulärer Weiblichkeit. Salo war früher schon aufgefallen, mit politisch korrekten Schwulensongs wie „Father of a son“ zum Thema Schwulenadoption, aber auch mit Negativschlagzeilen wie im vergangenen Oktober nach einem Konzert in der schwedischen Botschaft in Washington: Als während seines Auftritts ein Flugzeug über das Gebäude donnerte, rief er der Maschine nach, sie möge über dem Weißen Haus abstürzen.

Dänemark dagegen hat sich in diesem Jahr für die traditionelle Travestie-Show entschieden, für DQ und ihren Song „Drama Queen“. DQ ist einer von der ganz netten Sorte, mit viel Boa und Federn auf dem Kopf, ganz alte Travestie-Schule, mit 13 Kleiderwechseln während einer Stunde Bühnenshow und Lookalike-Nummern als Tina Turner, Cher oder – besonders schwierig – Dänemarks populärster Schwulenmutti, Birthe Kjær. DQ heißt eigentlich Peter Andersen, war beim Militär, ist ausgebildeter Friseur und verheiratet mit Lukkass – auch drei Chihuahua-Hündchen gehören zur Familie. „Für kein Geld der Welt!“, hat er einst geschworen, würde er im Fummel auf die Bühne gehen, und will es jetzt doch wissen für einen Sieg für sein Land.

Die spektakulärste Crossdresser-Nummer aber kommt aus der Ukraine. Verka Serduchka heißt die Dame und ist in vielen Ländern Osteuropas bereits ein Star. Für Russland hat der 30-jährige Andrej Danilko schon versucht, beim ESC dabei zu sein, ebenso für die Ukraine und für Polen. Jetzt hat es geklappt, für sein „Danzing“ stimmten die meisten Televoter und die Expertenjury. Aber nicht die Nationalisten im Lande, die organisierten umgehend landesweite Protestaktionen, verbrannten öffentlich Verka-Puppen und trugen „Nieder mit Serduchka“-Parolen durch Kiew. So einer schade dem Ansehen des Landes und verhöhne mit seinen Liedern in einer Mischung aus Ukrainisch und Russisch die schöne Sprache seiner Heimat.

So auch mit seinem Festivalbeitrag, einem deutsch-englisch-ukrainisch-mongolischem Kauderwelsch ohne Sinn, bei dem wiederum russische Kritiker die Zeile „Russia goodbye“ gehört haben wollen. „Nein!“, erklärte die Serduchka dazu in einer eigens einberufenen Pressekonferenz: „Das ist ein Missverständnis.“ Ich singe stattdessen ‚Lascha Tumbai‘, das kommt aus dem Mongolischen und heißt ‚geschlagene Butter‘.“ Wovon sonst sollte man auch sonst singen beim ESC – auf Mongolisch!

Nur dass er schwul sei, das will er – wer könnte ihm das in dieser homophoben Umgebung verdenken – nicht bestätigen: „Das gehört zu meinem Beruf, mich hin und wieder zu verkleiden.“

Wie dem auch sei, die Schwulen Europas haben am 12. Mai in Helsinki die Aus-Wahl, sich ihr Festival wieder zurückzuholen.