Das Hohelied auf den Polizeichef

„Der Mann, der den Geist der Polizei veränderte“: Fast alle Parteien singen eine Lobeshymne auf die Arbeit von Dieter Glietsch. Zahm wirkt sogar die Kritik der Gewerkschaften. Nur die CDU sieht in ihm einen „willfährigen Vollstrecker“

Marion Seelig von der Fraktion Linke.PDS im Berliner Abgeordnetenhaus ist einfach begeistert. „Ich würde ihn sofort noch mal wählen“, sagt die innenpolitische Sprecherin ihrer Partei. Durch Dieter Glietsch habe sich „im Geist der Berliner Polizei viel zum Positiven verändert“, meint sie und nennt als Stichworte eine größere Bürgernähe, mehr Transparenz und die erfolgreiche Umsetzung einer Deeskalationsstrategie bei Demonstrationseinsätzen. Zwar gebe es in der Zusammenarbeit mit dem Polizeipräsidenten auch „schon mal einige Probleme“. Doch darüber möchte sie nicht reden. Jubiläen stört man nicht.

Auch ihr Kollege Volker Ratzmann von den Grünen lobt Glietschs Deeskalationsstrategien und die „gute Personalpolitik“. Allerdings würde er sich „etwas mehr Mut zur Kennzeichnungspflicht“ von PolizeibeamtInnen und der Einrichtung eines unabhängigen Polizeibeauftragten zur Klärung von Übergriffen und allgemeinen Beschwerden im Polizeibereich wünschen. Insgesamt habe Glietsch der Berliner Polizei jedoch „sehr gutgetan“ und ihr Ansehen bundesweit gesteigert.

Anja Hertel von der SPD schätzt vor allem seine polizeiliche Professionalität und „klare Linie“. Alle Probleme durch Finanzschwächen und politische Vorgaben habe er bislang gut in den Griff gekriegt. „Ich bewundere den Mann“, resümiert sie.

Genau hier aber setzt der CDU-Politiker Frank Henkel mit seiner Kritik an und nennt Dieter Glietsch einen „willfährigen Vollstrecker von Senatsbeschlüssen“. Sein Name sei daher nun eng verbunden mit massivem Personalabbau und kaum sichtbarer Polizeipräsenz auf den Straßen. Solche grundsätzlichen Probleme sieht auch der Vorsitzende des parlamentarischen Innenausschusses, Peter Trapp (CDU). Allerdings mache Glietsch aus der „Situation, in der Berlin sich befindet, dass Beste daraus“. Die Zusammenarbeit mit dem Ausschuss sei jedoch „relativ gut“.

Anders sieht man Dieter Glietsch bei den Polizeigewerkschaften. Bei allen steht der Personalabbau und der „Rückzug aus den Kiezen“ an erster Stelle. Originäre Polizeiaufgaben seien daher immer schwerer zu erfüllen. „Dieser Polizeipräsident liebt Papier und Arbeitsgruppen“, sagt Bodo Pfalzgraf, der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Kriminalität werde zunehmend verwaltet statt bekämpft. Zumindest als „fairen Gesprächspartner“ schätzt aber auch er seinen Chef.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist erstaunlich zahm geworden. Seinen „sachlichen Widerstand“ gegen politische Vorgaben habe Glietsch „nicht umsetzen“ können, heißt es von ihrem Vorsitzenden Eberhard Schönberg, die Aktionsfähigkeit der Polizei werde sich daher „weiter dramatisch einschränken“. Jede Presseerklärung der letzten fünf Jahre war da schärfer. OTTO DIEDERICHS