Flüchtlinge müssen sich sputen

Erst 172 langjährig geduldete Flüchtlinge haben eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Ausländerbehörde verkürzt Frist für Anträge. Kritik vom Flüchtlingsrat

Die Zeit wird knapp. Bereits bis zum 18. Mai müssen geduldete Flüchtlinge in Berlin eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Bis vor kurzem galt die Vorgabe der Ausländerbehörde: Wer ein Jobangebot vorweisen kann, darf bis zum 1. Oktober eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Doch schon jetzt stapeln sich die Anträge. 2.336 Stück sind bei der Ausländerbehörde laut deren Chefin Claudia Langeheine eingegangen. Nur 172 langjährig geduldete Flüchtlinge haben aber bislang eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten.

Fünf Monate nach dem Bleiberechtskompromiss der Innenministerkonferenz besitzen damit weniger als 10 Prozent der Berliner Antragsteller die Gewissheit, nicht nur geduldet zu sein, sondern auch über Jahre hinweg hier leben und arbeiten zu dürfen. 306 Anträge hat die Ausländerbehörde, die zur Innenverwaltung gehört, bereits abgelehnt. Weitere 760 werden laut Behördenchefin Langeheine derzeit bearbeitet.

Offiziell leben rund 8.800 geduldete Flüchtlinge in Berlin. Laut Innensenator Ehrhart Körting (SPD) könnten etwa 2.500 von ihnen von den Änderungen des Bleiberechts profitieren. Jens-Uwe Thomas vom Flüchtlingsrat Berlin rechnet hingegen mit bis zu 4.000 Anträgen. Mit dem Bearbeitungstempo zeigt sich Thomas unzufrieden: „Die Ausländerbehörde scheint ihre Aufgabe vor allem darin zu sehen, eine schnelle und großzügige Umsetzung der Bleiberechtsregelung zu verhindern.“

Darauf deute auch die verkürzte Antragsfrist bis zum 18. Mai. Zwar können Antragsteller bis zum 1. Oktober einen Nachweis nachreichen, dass sie ein Arbeitsangebot haben. „Doch wer nicht bis Mitte Mai eilig einen Antrag stellt, muss sich bei der Jobvergabe weiterhin ganz hinten anstellen“, urteilt Thomas. Erst wenn das neue Bleiberecht in Kraft tritt, könnten neue Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse erteilt werden. Bis dahin blieben die Flüchtlinge auf Sozialleistungen angewiesen.

Der Flüchtlingsrat fordert von der Innenverwaltung, die alte Antragsfrist vom 1. Oktober wieder einzuführen. Die Leiterin der Ausländerbehörde will am 18. Mai festhalten. Die neue Weisung räume lediglich eine „missverständliche Formulierung“ aus, so Langeheine. Mit zwei Veranstaltungen – heute im Wedding und am kommenden Dienstag in Neukölln – will der Flüchtlingsrat über das Bleiberecht informieren.

MATTHIAS LOHRE