Antisemit verwirrt die Parteien

Die Befürworter einer Umbenennung der Treitschkestraße haben in der BVV Steglitz-Zehlendorf eine Mehrheit. Da aber jede Partei einen anderen Namensvorschlag hat, kommt es zu keiner Einigung

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Die Debatte über die Umbenennung der Treitschkestraße muss von den Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Steglitz-Zehlendorf neu geführt werden. Am Mittwoch nahm der Ältestenrat das strittige Thema von der aktuellen BVV-Tagesordnung und überwies es zurück in die Ausschüsse. Dort soll der derzeitige Wirrwarr und das Gezänk um das Für und Wider einer Umbenennung sowie die vielen in Anträgen gehandelten neuen Namen für die Straße geklärt werden.

Zuletzt hatte die FDP – lange Gegnerin eines neuen Namens – einen Umbenennungsantrag eingebracht. Statt des antisemitischen Historikers Heinrich von Treitschke (1834 bis 1896) sollte die Seitenstraße der Steglitzer Schlossstraße den Namen von Maria Rimkus (1910 bis 2003) tragen. Rimkus hatte während der NS-Zeit jüdischen Zwangsarbeitern geholfen, so die Bezirksliberalen. Man hoffe, mit der Idee das „Gezerre“ um die Namenstilgung beenden zu können, sagte FDP-Fraktionschef Kay Ehrhardt. Ein Irrglaube.

Weil fast jeden Tag ein neuer Vorschlag in Steglitz auftaucht und jedem Anlauf zur Umbenennung eine klare Mehrheit fehlt, haben die BVV-Oberen jetzt die Bremse gezogen. Frühestens in ein paar Monaten und nach den Debatten in den Ausschüssen für Kultur und Stadtplanung könne über die Anträge im Parlament beraten werden, hieß es aus dem BVV-Büro.

Marc Wesser, CDU-Fraktionschef und Gegner der Umbenennung, bezeichnete gegenüber der taz die Entscheidung als vernünftig. Die Verschiebung könnte in den Fraktionen zu einem Klärungsprozess führen.

Ob das so kommt, ist fraglich. Denn um die Treitschkestraße tobt seit Jahren ein Umbenennungskampf. Erst scheiterte eine Initiative von SPD und Grünen im Jahr 2002, weil CDU und FDP dagegen waren. 2005 starteten SPD und Grüne einen erneuten Versuch, der wieder kassiert wurde. Treitschke, so argumentieren seine Gegner, sei wegen seiner antisemitischen Thesen („Die Juden sind unser Unglück“) als Straßenname untragbar. Die CDU hingegen sieht die seit 1906 bestehende Straßenbezeichnung als historisches Dokument und verteidigt dies mit dem wenig tiefsinnigen Argument „das war schon immer so“.

Mit ihrer Initiative sprang die FDP zwar mit SPD und Grünen ins Umbenennungsboot – was eine Mehrheit garantieren würde. Doch seit der Bezirkswahl 2006 ist in Steglitz alles anders: Weil die Grünen mit der CDU eine „Zählgemeinschaftsvereinbarung“ eingegangen sind und damit in der BVV die Mehrheit haben, laufen sich alle Versuche, die Namenstilgung zu entscheiden, tot. SPD, Grüne und FDP plädieren jeweils für andere Namen und verfolgen unterschiedliche Strategien. Außerdem fühlen sich große Teile der Steglitzer Grünen der Zählgemeinschaft mit der CDU verpflichtet.

Immerhin haben sie damit erreicht, dass zu Treitschke Infoschilder montiert werden sollen und mit den Bürgern „pädagogisch sinnvoll“ diskutiert wird, wie Hampel das nennt. Am Ende der Legislatur könnte diese Meinungsbildung entscheidend sein. Denn die Debatte findet sogar der CDU-Fraktionschef gut.