Betriebe kriegen Kanal nicht voll

Zum 1. Juli stellen die Wasserbetriebe ihr Gebührenmodell um. Trotz Grundpreis für alle soll sich für die Verbraucher wenig ändern. Die SPD lobt die Reform, Kritiker glauben an „Verschleierungstaktik“

VON NANA GERRITZEN

Gartenbesitzer, die derzeit mit Schlauch und Sprenger retten, was zu retten ist, sollten den Wasserzähler im Blick behalten. Denn Berlins Trinkwasser ist teuer. Im Vergleich zu anderen Großstädtern müssen die Berliner bundesweit am meisten für Wasser bezahlen, hat der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) ausgerechnet. Ein durchschnittlicher Haushalt in Berlin muss im Jahr fast 200 Euro mehr als in Köln oder München aufwenden.

Die nächste Änderung der Berliner Wasserpreise ist bereits in Sicht: Im Juli ändert sich das Gebührenmodell der Berliner Wasserbetriebe – dass es billiger wird, ist zu bezweifeln. Wie bei Strom und Telefon müssen die Berliner künftig auch für ihr Wasser neben dem verbrauchsorientierten Preis eine Grundgebühr bezahlen. Für die meisten ändert sich wenig, aber einige müssen drauflegen: Ein Alleinstehender in einer Singlewohnung mit einem Jahresverbrauch von 40 Kubikmetern musste bisher 194 Euro bezahlt. Seine Kosten steigen um 3,7 Prozent auf 201 Euro, so eine Beispielrechnung der Wasserbetriebe.

Anders sieht die Sache bei einem Vierpersonenhaushalt in einem Einfamilienhaus mit einem jährlichen Wasserverbrauch von 168 Kubikmetern aus. Statt der bisherigen 793 Euro werden ab Juli nur noch 786 pro Jahr fällig. Es wird trotz neu eingeführter Grundgebühr etwas günstiger, weil das Unternehmen gleichzeitig den verbrauchsorientierten Preis gesenkt hat. Die Umstellung vom alten auf das neue Preismodell begründen die Wasserbetriebe mit den hohen Bereitstellungskosten. Sie ließen sich durch den Verbrauchspreis allein nicht mehr decken, so Pressesprecher Stephan Natz.

Trotz der teilweisen Erhöhungen lobt die SPD die Änderungen. Daniel Buchholz, der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, sagte gestern, seine Partei habe auf Sozialverträglichkeit geachtet: „80 bis 90 Prozent der Verbraucher werden gar nichts merken, weil die Änderung unter einem Euro pro Monat liegt.“ Der neu eingeführte Grundpreis sei nach Verbrauch gestaffelt. Lediglich in einigen Fällen seien Kleinverbraucher von geringfügigen Preiserhöhungen betroffen, so Buchholz.

Harsche Kritik kommt dagegen von Gerlinde Schermer. Seit einem Jahr engagiert sich das SPD-Mitglied beim Berliner Wassertisch und kämpft für die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe. „Das ist ein weiterer Schritt in die falsche Richtung“, sagt Schermer. Die Finanzökonomin hält die Beispielberechnungen der Wasserbetriebe für einen Weg, „die Öffentlichkeit zu täuschen und die Änderungen schnellstmöglich durchzusetzen“. Die Wasserpreise würden weiter steigen, sagt Schermer voraus – „weil die Wasserbetriebe im Privatisierungsvertrag eine Renditesteigerung für die nächsten 28 Jahre festgelegt haben“. Das Land hat die Wasserbetriebe im Jahr 1999 zur Hälfte an private Versorgerkonzerne verkauft. Dabei wurden den Investoren hohe Renditen garantiert.

In den vergangenen Jahren hätte das Unternehmen seine Einnahmen ja bereits durch sinkende Lohn- und Instandhaltungskosten, verbunden mit ständig steigenden Preisen, erhöht, kritisiert Schermer. „Jetzt sieht es so aus, als ändere sich nicht viel. Für den Verbraucher ist das Splitting der Tarife aber undurchsichtiger – das werden die Wasserbetriebe bewusst nutzen, um sie weiter zu verteuern.“

Auch der Verband der Wohnungsunternehmen (BBU) ist überzeugt, dass die Wasserbetriebe sich durch das neue Modell viele Ansätze offenhalten, in Zukunft Tariferhöhungen durchzuführen. „Das ist eine Verschleierungstaktik“, sagt Vorstandsmitglied Ludwig Burkardt. „Die Wasserbetriebe können sich das nur leisten, weil sie in Berlin eine Monopolstellung haben.“