Nazis biedern sich an zum 1. Mai

Am Feiertag der Arbeiterklasse planen NPD und „Freie Kameraden“ flächendeckend Aufmärsche gegen die Globalisierung. In der multikulturellen Arbeiterstadt Rüsselsheim will ein buntes Bündnis den „braunen Verführern“ eine Abfuhr erteilen

AUS RÜSSELSHEIM KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Der Bundesregierung liegen angeblich keine Erkenntnisse über Absprachen rechtsextremistischer Parteien und Organisationen zur Koordination bundesweiter Aktivitäten zum 1. Mai vor. Das steht so in einer vom Innenministerium zu verantwortenden aktuellen Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag – und ist ganz schön peinlich.

Denn der Hamburger Neonazi Christian Worch stellte schon vor Wochen eine Übersicht zu den republikweit geplanten Aufmärschen und Kundgebungen der rechtsextremistischen Szene am „Tag der deutschen Arbeit“ ins Internet. Die Organisatoren und die für die sechs regionalen Veranstaltungen angekündigten Redner gehören fast alle der NPD und/oder „Freien Kameradschaften“ respektive „Freien Nationalisten“ an.

Auf der regionalen Kundgebung für Nordrhein-Westfalen in Dortmund wird der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt auftreten – Schulter an Schulter mit dem „Freien Nationalisten“ Worch. Motto: „Gemeinsam gegen den Kapitalismus“. Und kein Nazi muss weit reisen. Neben Dortmund und Rüsselsheim/Raunheim (Südwest) haben parteifreie Nationalisten und Nationaldemokraten in Erfurt, Neubrandenburg, Nürnberg und Vechta Kundgebungen und Demonstrationen angemeldet.

„Was will die Bundesregierung eigentlich effektiv gegen den Rechtsextremismus in Deutschland unternehmen, wenn ihr noch nicht einmal solche Dinge bekannt sind“, fragen Antifaschisten desillusioniert, die seit einiger Zeit Verlautbarungen der rechtsextremen NPD und Erklärungen aus dem Umfeld der Partei im Internet dokumentieren.

Effektiv etwas gegen die Naziaufmärsche unternehmen wollen die betroffenen Kommunen. In Rüsselsheim etwa mit seinen 60.000 Einwohnern und einem Ausländeranteil von fast 30 Prozent – dazu kommen viele eingebürgerte ehemalige Einwanderer – will ein breites und buntes Bürgerbündnis „den braunen Verführern eine Abfuhr erteilen“. Kein Nazi werde am Dienstag die City erreichen, prophezeite ein Sprecher der „Initiative gegen Rechtsextremismus“. Sport-, Musik- und Kulturveranstaltungen auf allen Plätzen der Stadt und am Bahnhof sollen dafür sorgen, „dass die Nazis draußen bleiben“.

Südlich der Bahnlinie im Wohngebiet „Am Ramsee“ dürfen NPD und „Freie Kameraden“ aber aufmarschieren. In einer Hauswurfsendung an die betroffenen Bewohner des Viertels wirbt Oberbürgermeister Stefan Gieltowski (SPD) um Verständnis dafür: „Das Versammlungsrecht, das die Gewerkschaften in der Vergangenheit schwer erkämpft haben, gilt leider auch für die NPD.“

Die vom hessischen NPD-Vorsitzenden Marcel Wöll angemeldete Veranstaltung steht unter dem Motto: „Zukunft statt Globalisierung – Heraus zum 1. Mai“. Gegen Wöll läuft ein Ermittlungsverfahren wegen Leugnung des Holocaust. Auch in Rüsselsheim und zuvor schon im benachbarten Raunheim wollen „Freie Kameraden“ das Wort ergreifen. Im Aufruf dazu gerieren sich die „nationalen Sozialisten“ als Globalisierungsgegner und verlangen eine Rückbesinnung auf die „Kräfte des eigenen Volkes“. Antifaschistische Gruppen im Rhein-Main-Gebiet wollen der NPD und ihren „Helfershelfern“ den „Ramsee“ nicht überlassen. Die Polizei werde sich diesen Gegendemonstranten „entgegenstellen“, kündigte aber der Rüsselsheimer Polizeidirektor Bernhard Lammel an. Die Trennung beider Gruppen sei Aufgabe der „neutralen Polizei“.

Als Veranstalter der Kundgebung der Rechtsextremisten in Dortmund fungieren „Freie Kameraden“ aus knapp 20 Städten in Nordrhein-Westfalen.