Martial Arts: Domestizierter Wahnsinn

Ist es noch ein Film oder übt er für die Olypiade 2008? Zhang Yimous neuer Kampfkunst-Opus "Der Fluch der Goldenen Blume".

Chow Yun-Fat bereit zum Kampf Bild: Tobis

Alternden Actionstars ist im chinesischen Kino ein rühmlicherer Abgang vergönnt als in Hollywood. Chow Yun-Fat steht für die "Heroic Bloodshed"-Filme der 80er-Jahre; zusammen mit dem Regisseur John Woo prägte er in Filmen wie "The Killer" oder "A Better Tomorrow" einen neuen Männlichkeitstypus im Actionkino: den melancholischen Killer, wortlos wie Melvilles Samouraï, aber von einer physischen Geschmeidigkeit, die emotionale Regungen in reine kinetische Energie umsetzte. In der Anmut seiner Todesballette verbanden sich die genreüblichen Totalitismen von beschleunigter Physis mit dem ausdrucksstarken Minimalismus asiatischer Theaterformen. Dem Stoizismus der Melvilleschen Helden setzte Chow eine entleerte Emotionalität entgegen: der Körper als Gefäß und Projektil. Damit war in seinen Figuren der Stoff zum tragischen Helden angelegt.

Das kommt ihm für seine dramatischen Rollen - in "Tiger & Dragon" oder aktuell in Zhang Yimous "Der Fluch der Goldenen Blume" - zugute. Zhang Yimous neues Martial-Arts-Opus unterscheidet sich von seinen bisherigen Schwertkämpfer-Filmen, da das wiederkehrende Motiv der äußeren Beschleunigung diesmal mit labyrinthischen Räumen absoluten Stillstands kontrastiert wird. Chow spielt den chinesischen Kaiser Ping im Jahr 928 der Tang-Dynastie. Die Stimmung in der Verbotenen Stadt ist gedrückt. Der Kaiser trachtet seiner unglücklichen Gattin Phoenix (Gong Li) nach dem Leben; die plant einen Tyrannensturz. Mit ihrem ältesten Stiefsohn verbindet sie zudem eine quasi inzestuöse Liaison. Diese hysterischen Gefühlswelten vertragen sich jedoch nicht mit der höfischen Etikette. Alle machen in "Der Fluch der Goldenen Blume" gute Miene zum bösen Spiel. Unbeeindruckt von den familiären Spannungen laufen im kaiserlichen Palast die täglichen Rituale ab; die Routinen halten die höfische Disziplin aufrecht.

Symbolisch aufgeladen sind die Räume der institutionellen Unterdrückung. Mit einer selten gesehenen Farbenpracht hat der Szenenbildner Tingxiao Huo den Palast ausgestattet: Die Flure, durch die Gong Li mit stummer Miene und bebenden Lippen wandelt, sehen aus wie ein Bonbonglas. Die psychedelischen Schlieren der immateriell erscheinenden Wände veranschaulichen den domestizierten Wahnsinn der kaiserlichen Familie. Ganz offensichtlich hat Zhang Yimou "Der Fluch der Goldenen Blume" als Trockenlauf für seine Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2008 gedacht. Innen- wie Außenräume sind goldgelb illuminiert: von kiloschweren Gewändern, Stofftüchern, Chrysanthemenblüten, die den Platz in der Verbotenen Stadt bedecken; selbst Gong Lis goldener Lidschatten verleiht ihrem erschöpften Gesicht einen schwachen Glanz.

Chow ist der ruhende Pol in dem Spektakel. Ihm unterliegt das Gewaltmonopol, und wie schon in seinen Actionrollen spielt er es auf unnachahmliche Weise aus. Seine nuancierte Innerlichkeit verleiht der Figur eine bedrohliche Tiefe. Erst in den Schwertkämpfen wird er wankelmütig, hier muss der Computer nachhelfen. Die zahlreichen digitalen Effekte sind das größte Manko von "Der Fluch der Goldenen Blume". Zhang Yimou hat den Film ganz auf das Ornamenthafte ausgerichtet, jedes Tableau fungiert als schmückendes Beiwerk für überlebensgroße Emotionen. Aber der bombastische Manierismus ist auf Dauer ermüdend. Merkwürdigerweise stehen ausgerechnet Kreis (Himmel) und Quadrat (Erde) für das formale Ideal, das Zhang vorschwebt: der eckige Familienaltar auf der runden Terrasse vor dem kaiserlichen Palast. Die Erde, erklärt Ping, unterstehe dem Himmel, und alles Leben sei einem festen Platz unter dem Rund des Himmels zugewiesen. Von dieser Einfachheit sind die letzten Filme Zhang Yimous jedoch weit entfernt.

"Der Fluch der Goldenen Blume", Regie: Zhang Yimou. Mit Gong Li, Chow Yun-Fat u. a., China 2006, 114 Min.

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