Bremer CDU setzt auf Susanne Albrecht

Die frühere RAF-Terroristin Susanne Albrecht hat sich nach Ende ihrer Haftstrafe ein neues Leben aufgebaut. Nun hat „Bild“ enthüllt, dass sie in Bremen lebt und dort Kinder unterrichtet. Die CDU empört sich. Im Land läuft gerade der Wahlkampf

AUS BREMEN KLAUS WOLSCHNER

„Susanne Albrecht wurde 1996 auf Bewährung aus der Haft entlassen. Sie arbeitet heute, unter anderem Namen, als Lehrerin in Norddeutschland.“ So unverbindlich stand es bis Montagnachmittag im Online-Lexikon Wikipedia. Um 17.38 Uhr war der Eintrag aktualisiert: Albrecht arbeite als Deutschlehrerin in Bremen. Später wurde noch präzisiert, dass es sich um eine Schule für Migrantenkinder handle.

Seitdem Bild am Montag dieser Woche großflächig über Wohn- und Arbeitsort der ehemaligen RAF-Terroristin berichtet hat, streiten sich die im Wahlkampf stehenden Politiker der großen Koalition in Bremen: Während Bildungssenator Willi Lemke von der SPD von einem „Beispiel für gelungene Resozialisierung“ spricht, findet die CDU den Fall „völlig untragbar“. Lehrer hätten Vorbildfunktion, ehemalige Terroristen könnten kein Vorbild sein.

Albrecht war 1977 gemeinsam mit Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt an der Ermordung des Dresdner-Bank-Chefs Jürgen Ponto beteiligt. Ihre Eltern waren Freunde der Pontos. Später lebte sie in der DDR unter falschem Namen, wurde nach dem Mauerfall festgenommen und zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Albrecht distanzierte sich während ihres Prozesses von ihrer Vergangenheit. In einer Erklärung während des Prozesses warf sie der RAF „kaltblütige Brutalität“ vor.

Die Bremer CDU-Fraktion legte nun eine Liste mit Fragen vor, die mit Blick auf den Wahltermin am 13. Mai brisant sein könnten. Die CDU will wissen, wer entschied, dass Albrecht in Bremen ihre Haft verbüßte und dass sie auf Bewährung freikam. „Welche Rolle spielten Willi Lemke und Henning Scherf“ bei der Vermittlung des Schuljobs?, fragen die Christdemokraten, und: „An welcher Bremer Schule ist Susanne Albrecht seit wann beschäftigt?“

Der frühere Regierungschef Henning Scherf (SPD) kam eigens ins Rathaus, um solche Fragen zu beantworten: Die Bundesanwaltschaft habe das Land Bremen gebeten, Albrecht zu übernehmen, sagt Scherf. Da habe es sich um „Amtshilfe“ gehandelt, für die der Bund auch zahlt. Die Bremer Justiz hatte mit dem Fall nie zu tun, auch die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung habe das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden. In ihrer Zeit als Freigängerin habe Albrecht dann offenbar Kontakt mit dem „Verein Stadtteilschule“ bekommen, der Deutschunterricht für Ausländerkinder an den staatlichen Schulen anbietet. Albrecht ist ausgebildete Englisch-Lehrerin und spricht fließend Russisch und war also für die Arbeit gut qualifiziert. Seit 14 Jahren geht sie dieser Tätigkeit nach.

Dass sein früherer CDU-Koalitionspartner Hartmut Perschau die Tätigkeit von Albrecht „völlig unmöglich“ findet, wundert Scherf. „Wahrscheinlich hat er sich in den Fall nicht hineingedacht, und es ist Wahlkampf.“

An welchen Schulen Albrecht unterrichtet, war bisher in Bremen ein Geheimnis. Nicht mal die Lehrerkollegen wüssten von ihrer Vergangenheit, erklärte Albrecht dem Oberlandesgericht Hamburg, das im März über die Veröffentlichung eines Fotos von ihr verhandelte, das aus dem Prozess 1991 stammt. Das Resozialisierungsinteresse von Albrecht habe Vorrang vor der Bildberichterstattung, urteilte das Gericht und untersagte das Foto in der geplanten Taschenbuchausgabe des Buches „Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF“.