„Wir wissen, wie gute Schule geht“

Die aktuelle Schulkrise in Berlin zeigt: Der Staat versagt bei der Versorgung der Schüler mit gutem Unterricht viel zu oft. Es wird Zeit, dass er die Privatschulen nicht weiter ausgrenzt, sondern mit ihnen konkurriert und kooperiert. Um die Schulen fit fürs 21. Jahrhundert zu machen

INTERVIEW CHRISTIAN FÜLLER

taz: Frau Beste, provozieren Sie eigentlich am liebsten Verzweifelte?

Bea Beste: Wie kommen Sie denn darauf?

Als vergangene Woche im Berliner Szenebezirk Prenzlauer Berg verbitterte Eltern um Grundschulplätze für ihre Kinder kämpften, kamen Sie als Vorstandschefin einer Privatschule mit Werbeflyern in die Demonstration. Da waren einige ziemlich sauer.

Ich kann den Ärger der Eltern über die Schulsituation am Prenzlauer Berg verstehen, na klar. Aber es wäre ein Missverständnis, uns Private dafür verantwortlich zu machen. Die Eltern waren wütend und haben sich beschwert, dass die Schulverwaltung nicht mit dem Babyboom geplant hat.

Und Sie, die Privatschule Phorms, wollen nun von dem Schulversagen der Behörden profitieren.

Nein, wir versuchen Angebote zu schaffen – wie die anderen Schulen auch. Wir sind Teil der Lösung, nicht das Problem. Wir schwatzen nicht, wir machen. Unser Ziel ist es, guten und kreativen Unterricht anzubieten – der Kindern Spaß und zugleich Zukunftschancen bietet.

Kein Wunder – bei einem Preis von bis zu 860 Euro für einen Schulplatz pro Monat. Nicht gerade ein Schnäppchen.

Ein Wunder, dass wir es schaffen, mit Preisen ab 230 Euro sogar die niedrigen Einkommensgruppen anzusprechen. Gute Bildung ist teuer.

Das stimmt. Dennoch sind 800 Euro pro Monat nun mal ein Haufen Geld.

Sicher. Aber ich verstehe die Kritik daran nicht. Weder als Unternehmerin noch als Bürgerin. Wenn jemand, der mehr als 150.000 Euro brutto verdient, sein Kind zu uns schickt, dann passiert doch zweierlei: Er bekommt für sein Kind einen exzellenten Unterricht – und er subventioniert zugleich eine öffentliche Schule mit.

Ich dachte, Sie sind privat?

Unsere Schule steht jedem offen. Das heißt, sie ist privat organisiert, aber sie ist öffentlich. Der Unterricht kostet zwischen 230 und 860 Euro pro Monat – das hängt vom Einkommen ab. Derjenige, der hierzulande schnell als reich diskriminiert wird, hilft doch in Wahrheit mit, die Schule für viele zu öffnen. Und wir würden gerne noch günstigere Angebote machen. Aber dazu sind wir noch nicht lange genug am Markt und dazu bekommen wir auch zu wenig Förderung vom Land. Unsere wichtigste Botschaft ist die Qualität.

Um Qualität geht es derzeit aber gar nicht, sondern um die schiere Zahl an Plätzen.

Mir geht es immer um Qualität. Unsere Schule kann es sich nicht leisten, da nachzulassen. Aber auch am Prenzlberg geht es nicht nur um die Zahl an Plätzen, sondern um die Qualität. Wenn Sie die bestehenden Schulen mit Schülern vollstopfen, wird doch der Unterricht nicht besser.

Was kann eine Privatschule zur Lösung der Schulkrise beitragen – am Prenzlauer Berg wie im Rest des Landes?

Alle reden von Pisa und Unterrichtsausfall, aber es geht um viel mehr. Unsere Kinder müssen auf eine hochspezialisierte und komplexe Welt vorbereitet werden. Die staatlichen Schulen kommen da nicht mit. Die Bildung steckt in der Krise, genau da liegt die Chance. Das staatliche Schulwesen braucht den Ansporn, den wir Private ihm abfordern. Wenn es uns gibt, bewegt sich der Staat schneller – und die Schulen werden besser.

Ach ja? Gibt es Beispiele?

Nehmen Sie die Kindergärten. Auch da war der Prenzlauer Berg ein Laboratorium. Die waren hier fast alle staatlich organisiert, teilweise mit stark autoritären Zügen. Inzwischen gibt es eine ganze Flut von Neugründungen, Elterninitiativen genau wie unternehmerische Anbieter. Da ist ein schöner Wettbewerb entstanden, von dem Kinder wie Eltern profitieren. Es gibt viele gute Kitas – und die staatlichen sind oft nicht die schlechtesten.

Zurück zu den Schulen: Am Prenzlauer Berg fehlen in ein paar Jahren allein in zwei Schulbezirken rund 500 fußläufige Plätze für Grundschüler. Was kann da eine so teure und so kleine Privatschule wie die Ihre mit knapp 100 Schülern beitragen?

Wir haben sehr wohl Kapazitäten für Abc-Schützen anzubieten. Unsere Schule etwa soll dreizügig werden und auf weit über 200 Schüler wachsen, Nachfrage allerdings reichlich. Trotzdem sehen wir uns auch herausgefordert, unseren Beitrag für die Bewältigung des Erstklässleransturms zu bringen. Nur können wir diese Krise nicht allein lösen.

Was ist Ihr Tipp?

Ich weiß, dass wir Privatschulen viel Know-how haben. Wir wissen, wie gute Schule geht. Schauen Sie, wir haben vor nicht mal einem Jahr Phorms in Betrieb genommen. Die Schulinspektion hat uns unter die Lupe genommen. Urteil: „Sie machen Schule, wie wir es gerne überall sehen würden.“ Wir freuen uns darüber und wollen das Gleiche in München, Köln und Frankfurt anbieten. Unser Gymnasium in Berlin startet jetzt – denn das Problem mit den Schulplätzen verlagert sich in einigen Jahren in die Sekundarstufe.

Lassen Sie uns noch einen Moment in Berlin bleiben. Wie kann man kurzfristig 500 Erstklässler unterbringen, ohne dass die Qualität leidet?

Ich habe da keine perfekte Antwort. Für mich ist wichtig: 1. Was lernen wir aus der Krise? 2. Was machen wir jetzt?

Und, was machen wir jetzt?

Man sollte eine gemeinsame Initiative starten – eine, die schnell und pragmatisch zu Entscheidungen kommt. Es darf nicht das kommen, was der Engländer „paralysis by analysis“ nennt. Dafür sind die Sorgen der Eltern zu groß, deren Kinder heute im Sandkasten sitzen, aber morgen in die Schule gehen werden.

Wer soll bei dieser Initiative mitmachen?

Es müssen alle dabei sein – die Schulleiter, private wie staatliche, die Schulstadträtin, die Schulräte, die Eltern natürlich – und die Vertreter der Wirtschaft. Auch der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und der Bildungssenator sollen mit anpacken. Wir könnten hier ein Modell schaffen, das vielerorts anwendbar ist.

Was könnte dabei herauskommen, wenn alle zusammenglucken?

Dass wir neue Plätze schaffen und Schule für das 21. Jahrhundert fit machen.

Wie soll das gehen?

Da ist vieles denkbar. Warum sollten private und staatliche Schulen nicht kooperieren, wenn wir auf die Schnelle eine neue Schule schaffen müssen? Warum sollte das Land, wenn es selbst nicht genug Angebote hat, nicht übergangsweise Plätze in den Privatschulen subventionieren? Wir sind frei, etwas zu unternehmen. Was es nicht gibt, muss man halt erschaffen.