Dialog, 2. Versuch

VON CIGDEM AKYOL

Wolfgang Schäuble (CDU) ließ erst warten und musste dann selber warten. Dreißig Minuten später als angekündigt kam der Bundesinnenminister auf die Bühne – allein. Die anderen Teilnehmer an der zweiten Islamkonferenz hatten sich in den Räumen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften verlaufen. Nach und nach sammelten sich die wichtigsten fünf Teilnehmer, dann konnte die Pressekonferenz beginnen.

„Es gibt noch Punkte, bei denen weiterverhandelt werden muss“, sagte Schäuble. Eigentlich sollten gestern erste Ergebnis verkündet werden, konkrete Maßnahmen konnte der Innenminister jedoch nicht veröffentlichen. Lediglich dass „alle Teilnehmer der Islamkonferenz vom säkularen Staat und vom Grundgesetz ausgehen“, sagte Schäuble und schob hinterher: „Wir waren uns alle einig, dass der Prozess richtig ist, und er kommt auch gut voran.“

Eine Ansicht, die Ayyub Axel Köhler, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, nicht teilte. „Wir müssen endlich konkrete Ziele in Angriff nehmen“, beschwerte sich Köhler. „So kann es nicht weitergehen, dass wir ziellos debattieren.“

Tatsächlich: Sieben Monate nach dem Auftakt konnten auf der zweiten Islamkonferenz keine Fortschritte präsentiert werden. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat im vergangenen Herbst die Deutsche Islamkonferenz initiiert, um einen Dialog zwischen den Muslimen zu starten. Ziel war und ist es, die religions- und gesellschaftspolitische Integration der muslimischen Bevölkerung zu verbessern. Der Gesprächsprozess ist auf zwei bis drei Jahre angelegt. Im Vorfeld der gestrigen Konferenz hatte Schäuble sich vorsichtig optimistisch gezeigt, aber gewarnt, die Konferenz sei keine „Schönwetterveranstaltung“.

Das ist noch diplomatisch formuliert. Denn während man sich auf der Konferenz geschlossen zeigte, wurde hinter den Kulissen heftig gestritten. Der Schriftsteller Feridun Zaimoglu hatte in der taz gedroht, seinen Platz bei der Islamkonferenz aufzugeben, sollte nicht eine selbstbewusste Kopftuchträgerin an der Runde teilnehmen dürfen. Mit seiner Kritik löste er eine neue Debatte aus und beendete die Zeit der Nettigkeiten. Denn Islamkritikerinnen wie Necla Kelek und Seyran Ates reagierten empört. Das Innenministerium jedoch versicherte der taz, dass über einen weiteren Platz für die umstrittene Kopftuchträgerin nachgedacht werde. Die aber war gestern nur im Hintergrund zu sehen.

Neben derlei öffentlich ausgetragenen Konflikten wird auch in den einzelnen Arbeitsgemeinschaften gestritten. Bei der Bearbeitung eines gemeinsamen Positionspapiers wird vom Innenministerium das Bekenntnis zur „Werteordnung der deutschen Gesellschaft“ gefordert. Die Vertreter des neu gegründeten Koordinationsrats der Muslime (KRM) aber wollten das aber nicht unterzeichnet. „Der Ton wurde von Minute zu Minute rauer“ erzählt die Zahnärztin Ezhar Cezairli, unabhängige Vertreterin. „Aber wir säkularen Muslime haben schließlich durchgesetzt, dass wir uns auf das Grundgesetz geeinigt haben“, sagte Cezairli der taz.

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