Irans Strategie des kontrollierten Chaos

Auf der internationalen Irak-Konferenz in Ägypten trifft US-Außenministerin Condoleezza Rice auf ihren iranischen Amtskollegen Manutschehr Mottaki. Die Interessenlage der Teheraner Regierung im Nachbarland ist dabei widersprüchlich

AUS SCHARM AL-SCHEICH KARIM EL-GAWHARY

Einträchtig nebeneinander, getragen von der Brise des Roten Meeres, flattern sie im heißen Wind, das amerikanische Sternenbanner und die grün-weiß-rote iranische Nationalflagge, deren Wappen Allahs Größe verkündet. Im ägyptischen Badeort Scharm al-Scheich werden sie erstmals aufeinandertreffen, die US-Außenministerin Condoleezza Rice und ihr iranischer Amtskollege Manutschehr Mottaki, wenngleich mit anderen am großen Tisch. Das ist das eigentliche Politikum bei der zweitägigen internationalen Irak-Konferenz, die ab heute im Sinai stattfindet. Mit dabei sind nicht nur Iraks Nachbarn, um morgen zu beraten, wie der Irak doch noch stabilisiert werden kann. Fast 50 Länder wollten der Einladung folgen, um heute über finanzielle Hilfen und einen Schuldenerlass für den Irak zu sprechen.

Doch das Augenmerk wird auf dem Zusammentreffen von Rice mit dem bisher ranghöchsten Vertreter des von den USA als Schurkenstaat deklarierten Iran gerichtet sein. Beide Seiten versuchten im Vorfeld, die Erwartungen zu dämpfen. Bilaterale Gespräche mit dem Iran am Rande der Konferenz will Rice nicht ausschließen, wenngleich sie sagt, dass sie den Iranern nicht hinterherlaufen werde. Ähnliche Töne waren auch aus Teheran zu vernehmen. Washington ist darauf bedacht, zu betonen, dass es in Scharm al-Scheich nicht um die amerikanisch-iranischen Beziehungen oder das umstrittene iranische Atomprogramm geht, sondern einzig und allein um die Stabilisierung des Irak. Schließlich möchte die US-Regierung nicht den Eindruck erwecken, von seiner bisherigen Politik der Isolierung des Iran abgerückt zu sein. Aber Rice möchte sich ein Hintertürchen offen halten. „Sollten wir zusammensitzen und das Gespräch auf andere Themen fallen, werde ich unsere Politik erläutern“, sagte sie den mitreisenden Journalisten im Anflug auf Ägypten.

Fraglos hat der Iran vitale Interessen im Irak und daher auch die Instrumente geschaffen, um seinen Einfluss auszubauen. Teheran verfügt über ein weites Netz an bezahlten Informanten im Irak, iranische Revolutionsgardisten wirken aktiv am politischen Geschehen im Südirak mit, iranische Gelder fließen über religiöse Stiftungen in soziale irakische Wohlfahrtsprogramme, und eine der großen religiösen schiitischen Parteien im Irak, der an der Regierung beteiligte „Oberste Rat der Islamischen Revolution (SCIRI), gilt als verlängerter Arm Teherans.

Widersprüchlich ist, mit welchem Ziel diese Instrumente eingesetzt werden. Irans oberste Priorität ist es, den Irak nicht zu einer politischen, militärischen oder ideologischen Bedrohung werden zu lassen. Die potenzielle Bedrohung kommt dabei aus zwei äußerst unterschiedlichen Richtungen. Würde der Irak doch noch zu einer Erfolgsgeschichte, würde er dem iranischen System als alternatives politisches, demokratisches und sogar schiitisches Modell Konkurrenz machen. Doch gleichzeitig fürchtet Teheran auch, dass die Unruhen und der Bürgerkrieg überschwappen können.

Daraus ergibt sich eine iranische Strategie der „vielen Gesichter“. Teheran möchte die territoriale Integrität des Irak erhalten und einen völligen irakischen Kollaps vermeiden. Dabei zählt die Führung auf die freundlich gesinnte Regierung in Bagdad. Doch andererseits schürt Teheran Unruhe im Irak, nicht zuletzt, um US-Truppen zu binden, damit Washington nicht auf den Gedanken kommt, als Nächstes den Iran anzugreifen. Ein unabhängiger, vereinter Irak soll mit seiner mehrheitlich schiitischen Regierung den US-Einfluss eindämmen.

Gleichzeitig möchte Teheran aber auch die Fähigkeit behalten, die US-Truppen im Irak in Schwierigkeiten zu bringen, wenn es nötig erscheint. Eine Karte, die sich auch ausspielen lässt, wenn es um den amerikanischen Widerstand gegen das iranische Atomprogramm geht. „Kontrolliertes Chaos“ lautet also derzeit das iranische Rezept für den Irak. Teheran präsentiert sich dabei gerne als Chaos-Manager. Allerdings hat Amit Muhebian, einer der konservativen Ideologen des iranischen Regimes, die 160.000 US-Soldaten im Irak schon mal bösartig als „potenzielle Geiseln“ bezeichnet.

So hat sich in der Konfrontation zwischen Washington und Teheran ausgerechnet der Irak als amerikanische Achillesferse erweisen. Arabische Zeitungen werteten die internationale Irak-Konferenz bereits im Vorfeld als iranischen Erfolg.