Der Senat verliert den IT-Anschluss

Rot-Rot will Microsoft treu bleiben und blockiert die Nutzung freier Software in Berlins Verwaltungen. Dabei sparen Auswärtiges Amt und die Stadt München damit viel Geld

Ausgerechnet die Hauptstadt, die sich so viel auf ihre Innovationsfreude zugutehält, will von technischen Neuerungen in den eigenen Büros nichts wissen. Obwohl die Betriebssysteme der rund 80.000 Rechner in den Haupt- und Bezirksverwaltungen veralten, verweigert der Senat das Umsteigen auf sogenannte freie Software. Und das, obwohl der Haushaltsausschuss des Abgeordnetenhauses die Landesregierung bereits vor eineinhalb Jahren einstimmig aufgefordert hat, einen Fahrplan für die Einführung konzernunabhängiger Betriebssysteme und Anwendungssoftware vorzulegen. Mit einer Anhörung im Kommunikationsausschuss des Abgeordnetenhauses erhöhen die Fraktionen heute den Druck auf den Senat.

Die Parlamentarier erhoffen sich viel vom Umstieg. Heute laufen die meisten Rechner in den Verwaltungen mit den veralteten Microsoft-Betriebssystemen Office 97 und Windows NT 4.0. Das führe zu absurden Situationen: Fallen alte Geräte aus, müssen die neu gekauften Rechner an das veraltete Betriebssystem angepasst werden, sagt Thomas Birk. „Das ist, als kaufte man einen Neuwagen und machte daraus eine alte Mühle.“ Außerdem sei man bei Microsoft von der Produktpolitik eines Großkonzerns abhängig.

Die Parlamentarier fordern deswegen vom Senat, auf sogenannte Open-Source-Software umzusteigen. Diese lässt sich ohne Rechtsstreitigkeiten mit Großkonzernen je nach Bedarf ändern. „Hingegen ist der Programmcode Microsoft so heilig wie Coca-Cola die Rezeptur“, sagt der Grünen-Abgeordnete. Rechtefreie Software wie Linux sei nicht kostenfrei zu haben, gibt Birk zu. Mitarbeiterschulungen würden teuer. „Aber langfristig würde Berlin erheblich sparen, weil keine Lizenzgebühren mehr anfallen würden.“

Der Fachbereich Informatik und Gesellschaft an der Technischen Universität (TU) schätzt die IT-Ausgaben der Berliner Verwaltung auf „mindestens 200 Millionen Euro pro Jahr“; das entspricht 3.000 Euro pro Arbeitsplatz. Nach TU-Angaben ist das dreimal so viel, wie das Auswärtige Amt 2005 pro Kopf für Rechner, Software und Betreuung ausgab. Das Bundesministerium nutzt bereits Open-Source-Programme.

Neben der Kostenersparnis erhofft sich der Grünen-Abgeordnete Birk eine Stärkung der kleinen und mittleren IT-Unternehmen in Berlin. Trotz dieser Vorteile habe die Innenverwaltung ein Pilotprojekt in der Gesundheitsverwaltung von Tempelhof-Schöneberg zu Jahresbeginn „auf Eis gelegt“. Der Senat lehnt die vollständige Umstellung auf Open-Source-Software „als nicht marktkonforme, technologisch und insbesondere wirtschaftlich nicht vertretbare Maßnahme“ ab.

In München sieht man das anders. Seit vergangenem Jahr stellt die dortige Kommunalverwaltung unter dem Titel „LiMux“ ihre Rechner auf Linux-Produkte um. Hauptverantwortlich dafür ist Wilhelm Hoegner. Der LiMux-Leiter zählt zu den Experten, die heute vor dem Parlamentsausschuss sprechen werden. Der Grünen-Abgeordnete Birk ist sich sicher: „Die Sitzung wird eine Werbeveranstaltung für Open-Source-Software.“

MATTHIAS LOHRE