Ein Zappelphilipp als Philosoph

Die Dokumentation „Zizek!“ entpuppt sich als eine Soloperformance des Kulturkritikers Slavoj Zizek

In seinem Film „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ spielt Woody Allen einen Dokumentarfilmer, der unbedingt ein langes Portrait von einem osteuropäischen Philosophen drehen will. Diesen sieht er als sein spirituelles Vorbild an, dessen unbedingt positive Lebensauffassung gibt ihm Kraft – bis der Mann sich selber umbringt. Aber wir wissen schon lange vorher, dass Allen wieder einen seiner ewigen Verlierer verkörpert, denn kann es ein filmisch unergiebigeres Thema für das Kino geben als einen Philosophen, der ständig abstrakte Sätze in die Kamera spricht?

Die Filmemacherin Asta Taylor hat nun versucht, genau diese Nuss in ihrer ersten Dokumentation „Zizek“ zu knacken. Und in den ersten Einstellungen ähnelt der slowenische Philosoph und Kulturkritiker Slavoj Zizek sogar frappierend dem alten Zausel in Allens Film, wenn er über das Universum und die Liebe predigt. Und tatsächlich sagt er den ganzen Film über extrem komplizierte Sätze direkt in die Kamera. Aber dabei fuchtelt und zappelt er so hektisch herum, als würde er jede philosophische These auch noch pantomimisch darstellen wollen. Denn dieser korpulente, schwitzende, bärtige Bär von einem Mann ist auch ein begnadeter Performer, dessen Vorträge an amerikanischen Universitäten ähnlichen Kultstatus genießen wie die Auftritte von Popstars. Den meisten Zuhörern sind dabei seine Thesen zu Jacques Lacan völlig schnuppe, aber sein Unterhaltungswert ist hoch. Am Schluss des Films sagt er selber: „Mich populär zu machen, ist vielleicht eine Taktik, um mich nicht ernst nehmen zu müssen.“

In einem mit schwerem Akzent gelispelten Englisch reflektiert er über alles und jeden. Und wie ein guter Komiker weiß er, dass eine große Fallhöhe einen Lacher garantiert. So analysiert er den Stand der amerikanischen Philosophie anhand der Einrichtung der Toiletten des Landes, amüsiert sich über die Light-Kultur mit Sex ohne Sex, Sahne ohne Fett und Linke ohne Revolution, oder er hängt ein Portrait von Stalin über die Tür zu seinem Büro, um Besucher zu provozieren. Der Film folgt ihm mit der gleichen Ruhelosigkeit, die er in jeder Sekunde ausströmt, auf seiner Vorlesungstournee von Buenos Aires bis nach New York und dann zurück in seine enge, mit Büchern vollgestopfte Wohnung in Ljubljana. Man bekommt das Gefühl, dass er wie zwanghaft, sobald die Kamera zu laufen begann, Theorien absondern musste. Im Restaurant, auf dem Weg zur Vorlesung, in einer Videothek, und sogar im Bett redet dieser Mann ununterbrochen über Hitchcock und Marx, Derrida und Kometenabstürze, die ehemalige Sowjetunion und ihn nervende Autogrammjäger. Wegen seiner schnellen und verschrobenen Intelligenz sind diese Monologe zugleich faszinierend und amüsant, aber mit der Zeit gewinnt man auch den Eindruck, dass die Filmemacherin ihm zu sehr auf den Leim gekrochen ist. Etwas Abstand, auch etwas Ruhe, um über das Gesagte zu reflektieren, wären da hilfreich gewesen. Aber so hechelt der Film ähnlich hyperaktiv wie sein Protagonist, und man bekommt kein Gefühl dafür, ob Zizek nun ein rhetorisch brillanter Clown oder doch ein origineller Denker ist, der mit seiner Synthese von Marx und Lacan neue Wege gefunden hat, die Realität zu beschreiben. Aber das ist von einem mit 71 Minuten schon fast zu langen Film (mehr kluges Gerede wäre für die Zuschauer nur noch anstrengend) wohl auch zu viel verlangt. Dafür kann man ja seine Bücher lesen. Zumindest ist „Zizek!“ nie langweilig, Woody Allen müsste dieser Film eigentlich gefallen.

Wilfried Hippen