„Ich will diesen Kampf nicht“

Im Schatten der neuesten Konflikte zwischen Schwulen und Muslimen im Stadtteil St. Georg melden sich jetzt auch die „Schwulen und Lesben in der Union“ zu Wort. Von der muslimischen Community fordern sie Toleranz

INGO POHL, 39, ist in Hamburg Landessprecher der „LSU – Lesben und Schwule in der Union“. Er arbeitet als wissenschaftlicher Referent.

taz: Herr Pohl, fühlen Sie sich nach den jüngsten Übergriffen auf Schwule in St. Georg noch sicher?

Ingo Pohl: Ja, doch. So schlimm ist das jetzt auch wieder nicht.

In der Hamburger Morgenpost stand, dass ein schwules Paar bedroht worden ist, als es vor der Centrum-Moschee Händchen gehalten hat.

Ich bin in einer öffentlichen Diskussionsrunde gefragt worden, ob ich einen Kampf der Kulturen wolle. Ich will diesen Kampf nicht, ich sehe ihn eher auf der anderen Seite. Ich finde, die öffentliche Reaktion auf den Bericht in der Morgenpost fiel etwas schwach aus. Als vor ein paar Wochen der CDU-Abgeordnete Henry Nitzsche aus Sachsen eine vergleichbare Äußerung tat …

er sprach von „Multikulti-Schwuchteln“ …

… gab es einen öffentlichen Aufschrei, und der Mann musste sein Parteibuch abgeben. Aber hier bleibt eine Reaktion aus. Warum hat das eine andere Relevanz, als wenn Muslime sich lesben- oder schwulenfeindlich äußern? Wir wissen zum Beispiel, dass es sehr schwer ist, das Thema Coming-Out in Schulklassen mit hohem Ausländeranteil zu behandeln. Für junge Schwule ist es kein Zuckerschlecken mit ihren muslimischen Mitschülern.

Sie fordern, dass Muslime, wenn sie respektiert werden wollen, auch Schwule und Lesben respektieren sollen. Würden Sie das von Katholiken auch verlangen?

Zweifelsohne, das tun wir auch. Der Vatikan verurteilt auch schwule Lebensformen, aber im Vatikan werden keine Schwulen an Masten aufgehängt, sie kommen nicht wie in Ägypten in den Knast und werden nicht wie in Saudi-Arabien gesteinigt.

Aber das passiert doch nicht in St. Georg.

Immerhin hatten wir es konkret mit Gewaltandrohung zu tun. Vielleicht ist das nur ein Symptom für ein allgemeines Problem mit den liberalen Wertorientierungen der westlichen Zivilisation. Wenn man als Schwuler seine eigene Emanzipationsgeschichte hinter sich hat, hat man keine Lust, diese Geschichte permanent wiederholen zu müssen und sie den muslimischen Mitbürgern jetzt auch noch zu erklären. INTERVIEW: DANIEL WIESE