Alle haben sich lieb

Seit einem Jahr ist Klaus Staeck Präsident der Akademie der Künste. Er hat geschafft, was kaum einer für möglich hielt: Ruhe in den zerstrittenen Laden zu bringen. Heute ist Mitgliederversammlung

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Wenn sich an diesem Wochenende die fast 400 Mitglieder der Akademie der Künste in Berlin zu ihrer Jahresversammlung treffen, fehlt ein Programmschwerpunkt, der in den vergangenen Jahren quasi zum festen Bestandteil der Tagung gehörte: das Thema Ärger. Es scheint diesmal abgelöst von Heiterkeit. Kabarettvirtuose Dieter Hildebrandt, der seinen 80. Geburtstag feiert, steht im Mittelpunkt der „Langen Nacht“ der Mitgliederversammlung.

„Überraschungen wie in der Vergangenheit wird es nicht geben“, ist sich ein Mitglied der Akademie sicher. Will heißen, nach einem Jahr Klaus Staeck als neuer Präsident der Akademie der Künste haben sich in der Künstlersozietät wieder alle lieb. Die Schreckenszeit nach dem polternden Rücktritt Adolf Muschgs Ende 2005 ist ad acta gelegt. Die Akademie im Neubau am Pariser Platz und ihr Präsident gelten in Berlin wieder was. Man redet auf internen Plenarrunden wieder mehr mit- statt gegeneinander. Ausstellungen, Lesungen und Konzerte werden recht gut besucht, insbesondere die „Akademie-Gespräche“ zu wichtigen kultur- und gesellschaftspolitischen Themen sind ein Renner in der Stadt.

Wenn auch nicht alles so aktuell, kritisch und modern daherkommt, wie der Präsident sich das bei seinem Amtsantritt vorstellte – man ist nach Zeiten der Agonie („Schnarch-Club“) und des Reformstaus bemüht, auf Augenhöhe mit anderen kulturpolitischen Institutionen Berlins zu gelangen. Was nicht zuletzt das Verdienst des streitbaren Plakatkünstlers Klaus Staeck selbst ist. Sind doch die „Akademie-Gespräche“ im monatlichen Rhythmus nicht nur seine Erfindung, sondern auch seine Bühne.

Staeck hat dort über die SS-Vergangenheit von Günter Grass, Peter Handkes Heine-Preis-Skandal, das Urheberrecht, über Rechtsradikalismus, Kultur- oder Flüchtlingspolitik oder das Thema Pressefreiheit in Erinnerung an die ermordete Journalistin Anna Politowskaja mutig diskutiert. Die Akademie inszeniert sich hier als Meinungsführer, als Einmischer. Genau genommen ist es aber Klaus Staeck, der diese Rolle als kluger Selbstdarsteller ausfüllt. Es ist sein Spiel und weniger das anderer Akademie-Akteure, wie Mitglieder frotzeln. Staeck gilt darum auch als „Mr. Akademie der Künste“, der jedes gesellschaftliche, politische oder kulturelle Thema erst mal selbst besetzt – die Akademie partizipiert zwar, dient aber vor allem als Hintergrund.

Dass die hochkomplexe Schar der Akademiemitglieder – von Pina Bausch bis Pierre Boulez, von Rolf Hochhuth bis Martin Walser – sich Staeck bei der „Politisierung“ und Öffnung der wichtigsten deutschen Kulturinstitution nicht in den Weg stellten, hat schon verwundert. Gelten doch Agitatoren wie Staeck unter feinsinnigen Künstlern nicht unbedingt als satisfaktionsfähig. Auch Staeck war sich anfangs nicht sicher, ob sein Plan aufgehen würde. Zwar sei er „auch als politische Person gewählt worden, jeder wusste, wen er wählt“, wie er nach seiner Berufung 2006 erklärte. Doch die Unterstützung für den Neuanfang der krisengeschüttelten Akademie sowie die Befriedung der Mitglieder habe ihn „überrascht“. „Manche hatten uns zum Abschuss freigegeben“, resümiert Staeck die Zeit von damals. Das wollte die Künstlervereinigung nicht mit sich machen lassen.

In der Tat glich die Akademie der Künste 2005 einem Scherbenhaufen, und dies im neuen Glaspalast am Pariser Platz. Staeck-Vorgänger Muschg hatte Kritik an den Verkrustungen des Akademie-Apparats geübt und die Schwerfälligkeit von Mitgliedern und Gremien gerügt. Das kam natürlich gar nicht gut an bei den Künstlern. Im Haus hatten sich Fraktionen gebildet. Zudem war ein Streit um die Rolle der Akademie im Allgemeinen und die Satzung im Besonderen entbrannt. Nach Muschgs dröhnendem Rückzug Ende 2005 wurden viele Namen für die Nachfolge gehandelt, ohne allerdings ein klares Bild oder gar ein Konzept über die Zukunft der Institution zu haben.

Dass Staeck sich in jener Situation als Präsident angeboten hat, scheint heute zwangsläufig zu sein. Er saß lange im Senat, kannte seine Pappenheimer, war ein politischer wie pragmatischer Kopf – mit der Erfahrung von damals 68 Jahren –, dem ebenso zugetraut wurde, auch mal durchzugreifen. Geholfen hat zudem, dass die vom Bund getragene Einrichtung von diesem nicht fallen gelassen wurde. Und geholfen hat schließlich, dass die Mitarbeiter und die Mitglieder der Künstlersozietät den Öffnungs- und Reformkurs von Staeck als unausweichlich ansahen – diesen also mit konstituierten.

Dass nach einem Jahr immer noch einiges liegen geblieben ist, ist selbstverständlich. Aber Klaus Staeck täte gut daran, dies einem schieren Öffnungskurs nicht zu opfern. Das Haus am Pariser Platz ist noch nicht fertig gebaut. Es fehlen das Archiv und das Depot. Es fehlt am Zusammenspiel mit dem Haus am Hanseatenweg. So diskurssicher die Akademie auftritt – es mangelt an Konstanz. Für die Diskurssicherheit ist sie vom Gesetzgeber beauftragt. Darüber lässt sich vortrefflich auf einer Tagung streiten.