Das Ende des Gaullismus
: KOMMENTAR VON DOROTHEA HAHN

Der Generationswechsel im Pariser Elysée-Palast markiert das Ende einer politischen Strömung, die im Frankreich des letzten Jahrhunderts entstanden ist und die das Land in den zurückliegenden sechs Jahrzehnten geprägt hat wie kaum eine andere zuvor. Der Gaullismus – und der spätere Neogaullismus – wird mit dem scheidenden Amtsinhaber Jacques Chirac in den Ruhestand gehen.

Präsident Chirac war der Letzte, der den großen Spagat versucht hat, der seine Bewegung von Anfang an markierte: zwischen Nationalismus und europäischer Integration. Zwischen wirtschaftlichem Liberalismus und wohlfahrtsstaatlicher Solidarität. Zwischen Katholizismus und Laizismus. Zwischen rechts und links.

Die Idee zum Gaullismus entstand unter der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Als Charles de Gaulle im Jahr 1947 das „Rassemblement du Peuple Français“, seine erste Partei, gründete, war die stärkste Partei Frankreichs die kommunistische KPF. Nicht zufällig benutzte de Gaulle ihren Aufbau als organisatorisches Vorbild. Sechs Jahrzehnte später liegt die KPF in Stücken am Boden. Und ist das politische Erbe ihrer gaullistischen Gegenbewegung vergessen.

Die Pilgerfahrt zu dem lothringischen Grab von Charles de Gaulle ist zu einer Folklore mit Symbolen geworden. Die neuen Politikerinnen und Politiker wollen die Reste des institutionellen Korsetts, das auf den großen General und die besondere historische Situation der Entkolonisierung zugeschnitten war, anpassen.

Die neue Generation an der Spitze der Französischen Republik hat den Zweiten Weltkrieg nicht erlebt. Während des Algerienkriegs waren sie Kinder. Den Kommunismus haben sie nur noch im Niedergang erlebt. Ihre Erfolgsmuster sind nicht mehr traditionell-katholisch und durch Revolution, Kommune und Résistance geprägt. Sondern sind angelsächsisch. Sie haben mit Geld, mit Wettbewerb und mit Globalisierung zu tun. Sie werden in den nächsten fünf Jahren nicht nur den letzten Resten von Gaullismus den Garaus machen. Sie werden darüber hinaus Frankreich gründlich verändern.

Mit ihnen wird ein Stück französischer Eigenart verschwinden.