Dutschke auf der Siegerstraße

Das Verwaltungsgericht lehnt die Klage von Anliegern gegen die Umbenennung der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße ab. Damit steht dem neuen Namen so gut wie nichts mehr im Weg. Bezirksbürgermeister Schulz kritisiert Springer-Konzern

Von THILO KNOTT

Die Umbenennung der Kreuzberger Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße ist rechtens. Zu diesem Urteil kam gestern das Verwaltungsgericht. Das Gericht wies damit eine Klage von 27 Anliegern der Kochstraße, darunter die Axel Springer AG, als „unbegründet“ zurück. Die Namensänderung der Kochstraße sei nicht willkürlich und verletze auch keine Grundrechte der Anlieger, urteilte die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts. Das Gericht ließ eine Berufung nicht zu.

Die juristische Auseinandersetzung ist das letzte Hindernis, das der Umbenennung der Koch- in Rudi-Dutschke-Straße noch im Weg steht. Das Bezirksparlament hatte die Umbenennung im August 2005 mit den Stimmen von Linkspartei und den Grünen bereits beschlossen. Der Versuch der CDU, die Dutschkestraße noch mit einem Volksbegehren zu stoppen, scheiterte: Bei dem Bürgerentscheid im Januar hatten 57,1 Prozent der Wähler in Friedrichshain-Kreuzberg für die Benennung nach dem Studentenführer gestimmt.

Die Gegner der Dutschkestraße haben jetzt noch eine letzte Chance: Die Kläger können gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts einen Antrag auf Zulassung zur Berufung beim Oberverwaltungsgericht stellen. Lehnt das Oberverwaltungsgericht diesen Antrag ab, können die Straßenschilder montiert werden. Die Kläger wollen eigenen Angaben zufolge diesen Antrag stellen. Dass der Antrag erfolgreich sein wird, gilt als unwahrscheinlich.

Die Kläger argumentierten während der 75-minütigen Verhandlung vor allem damit, dass die Umbenennung ein „politischer Angriff auf die Axel Springer AG“ und die „Integrität des Konzerns“ sei. Damit habe der Bezirk seine Neutralitätspflicht verletzt. Das Gericht sah dagegen keine Willkür vorliegen.

Zwar sei „bei objektiver Betrachtung“ der strittige Straßenabschnitt für die Ehrung Dutschkes ausgesucht worden, weil dort der Springer Verlag ansässig sei, hieß es im Urteil. Der Bezug ergebe sich jedoch nicht allein aus den rechtswidrigen Blockadeaktionen, sondern aus der gesellschaftlichen Auseinandersetzung über die Presselandschaft in den 60er-Jahren, als deren „Antipoden“ Axel Springer und Rudi Dutschke angesehen werden könnten.

„Die gleichzeitige Ehrung zweier zeitgenössischer Kontrahenten am gleichen Ort ist vertretbar“, erklärte der Vorsitzende Richter Hans-Peter Rueß. Der Bezirk habe mit der Umbenennung nicht einseitig Partei ergriffen, weil die Rudi-Dutschke-Straße auf die Axel-Springer-Straße stoßen werde und der Verlag dort seine Anschrift behalte. Rueß erklärte: „Eine Provokation wäre es nur gewesen, wenn die Axel-Springer-Straße in Rudi-Dutschke-Straße umbenannt worden wäre.“

Der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), zeigte sich erfreut, weil „das Gericht implizit dem Ausgang des Bürgerentscheids gefolgt ist“. Die Axel Springer AG habe dagegen mit ihrer Klage unter Beweis gestellt, dass sie „auf das Ergebnis des Bürgerentscheids keinen Wert legt“, sagte Schulz der taz. Dadurch sei das Anbringen der neuen Straßenschilder „unnötig hinausgezögert“ worden.

Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner, der mit dem von ihm initiierten Bürgerbegehren gegen die Dutschkestraße gescheitert war, zeigte sich enttäuscht: „Ich halte es für abenteuerlich und unfassbar, dass man Axel Springer mit Rudi Dutschke vergleicht“, sagte er der taz noch im Gerichtssaal. Sein Ziel sei es weiterhin, die Dutschkestraße zu verhindern: „Wir wollen unter Ausschöpfung der rechtsstaatlichen Mittel und auf demokratischem Wege, dass die Kochstraße in Kreuzberg auch weiterhin Kochstraße heißt.“