Billiglöhne im hohen Haus der Politik

Putzfrauen ackern ausgerechnet im Reichstag zu Dumpinglöhnen. Der verbindliche Mindestlohn wird nicht eingehalten. IG BAU: Oft werden unzulässige Flächenvorgaben gemacht. Bundestagsverwaltung gibt sich unwissend: Ihr sei nichts bekannt

AUS BERLIN BARBARA DRIBBUSCH

Es ist eine Ironie: Dort, wo Politiker in langen Debatten über die Einführung von Mindestlöhnen streiten, putzen nach Feierabend Frauen, die zu Dumpinglöhnen beschäftigt werden. Der Reichstag werde von Unternehmen gereinigt, die ihren Mitarbeitern teilweise nur 5,50 Euro die Stunde und weniger bezahlten, kritisierte die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) gestern. Der Mindeststundenlohn im Gebäudereinigungshandwerk beträgt seit kurzem 7,87 Euro im Westen und 6,36 Euro im Osten der Republik.

Die Gewerkschaft legte zur Untermauerung ihrer Vorwürfe zwei Arbeitsverträge der in den Bundestagsgebäuden tätigen Firma B + K Dienstleistungs GmbH vor. Danach bekommt eine Reinigungskraft für eine 37,5-Stunden-Woche einen monatlichen Bruttolohn von 825 Euro. Dies ergibt einen Stundenlohn von 5,10 Euro. Eine andere Putzfrau verdiente mit einer 30-Stunden-Woche 825 Euro brutto. Für einen Alleinstehenden bedeutet das einen Nettoverdienst von 652 Euro im Monat. Das ist sogar etwas weniger, als viele Hartz-IV-Empfänger in Berlin erhalten. Nach Angaben der Gewerkschaft begründete die Gebäudereinigungsfirma die niedrigen Löhne damit, dass die Putzfrauen zu langsam seien und die vorgesehene Fläche bei der Innenreinigung nicht geschafft hätten. Auf Anfrage der taz wollte die B + K Dienstleistungs GmbH gestern keine Auskunft zu den Vorwürfen geben.

Es sei „peinlich“, dass gerade in so einer wichtigen Stätte wie dem Reichstag solche Billiglöhne an Reinigungskräfte gezahlt würden, erklärte IG-BAU-Vorstandsmitglied Frank Wynands gestern.

Die Verwaltung des Bundestags betonte hingegen gestern in einer Presseerklärung, man habe bei der Beauftragung der Reinigungsfirmen bewusst darauf Wert gelegt, dass mit ihnen eine Quadratmeterobergrenze vereinbart wurde, die es dem Personal ermögliche, die zu reinigende Fläche auch zu bewältigen. Der Verwaltung seien weder von der Gewerkschaft noch von anderer Seite „Unterlagen vorgelegt worden, aus denen hervorgeht, dass es zu Stundenlohnzahlungen an das Personal gekommen ist, die nicht dem Tarifvertrag entsprechen“.

In der Gebäudereinigung gilt ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag, der für alle Betriebe in der Branche Mindeststundenlöhne vorsieht. Vom 1. Juli an wirkt in der Gebäudereinigung zudem das Entsendegesetz, dann gilt dieser Mindestlohn auch für alle aus dem EU-Ausland geschickten Arbeitnehmer.

Von den rund 850.000 Reinigungskräften in der Branche falle die Hälfte unter den Mindestlohn, schätzt Wynands, die andere Hälfte bekomme höhere Tariflöhne. Allerdings beziehe aber nur jeder Zweite derjenigen, die den Mindestlohn bekommen müssten, diesen tatsächlich. Der Mindeststundenlohn werde unterlaufen, indem den Reinigungskräften unrealistische Vorgaben gemacht oder sie pauschal und zu niedrig bezahlt würden, hieß es bei der Gewerkschaft.

„Es ist ein Sklavenhandel“, sagte gestern dazu auf Anfrage der Geschäftsführer einer Gebäudereinigungsfirma, der seinen Namen nicht gedruckt sehen will. „Aber wenn man ein klassisches Angebot vorlegen würde mit den offiziellen Löhnen, lachen sich die Kunden tot, weil es ihnen zu teuer ist.“